Happy Valley Reloaded: Wie eine vergessene Doppelgemeinde zur Zukunftsformel im deutschen Südwesten wurde

Ein Ort, der klingt wie ein Zungenbrecher – und sich entwickelt wie ein Mikrokosmos der deutschen Geschichte. Zwischen Kelten und Konversion, jüdischem Erbe und chinesischer Gegenwart, hat sich Hoppstädten-Weiersbach zu einem Ort voller Überraschungen gemausert. Eine Zeitreise durch das Nahetal – dorthin, wo die Zukunft längst angekommen ist.


Kelten, Kanäle und Kanonen – Ein Dorf schreibt Geschichte

Im oberen Nahetal, eingebettet zwischen sanften Hügeln und der trägen Nahe, liegt Hoppstädten-Weiersbach. Eine Doppelgemeinde, deren Wurzeln tiefer reichen als manch große Stadt. Bereits um 450 v. Chr. siedelten hier Kelten. Auf dem heutigen Gemeindegebiet wurden Gräberfelder entdeckt – mit dabei: etruskische Importwaren, eine bronzene Schnabelkanne, Schmuck, Keramik. Hinweise auf Wohlstand und internationale Verbindungen – schon in der Eisenzeit.

Auch Römer zogen später durch die Region. Eine befestigte Siedlung gab es zwar nicht, aber die Route war strategisch. Und so wurde der Boden dieses Ortes früh zum Durchgangszimmer der Geschichte.


Schloss Werdenstein und das Spiel der Mächte

Im Mittelalter stand zwischen den Dörfern das Schloss Werdenstein – erbaut im 16. Jahrhundert, ein Machtsymbol der Herren von Eberstein. Heute ist vom Schloss nichts mehr zu sehen, doch es war Dreh- und Angelpunkt einer Region, die zwischen Wildgrafen, Kurpfälzern und Veldenzern aufgeteilt war. Die politische Zugehörigkeit wechselte wie das Wetter.

Doch unter der Oberfläche blühte das dörfliche Leben. In Hoppstädten entstand eine Kapelle, später eine Schule. Die Menschen begannen, ihre Identität zu formen – trotz der wechselnden Wappen an den Ortsschildern.


Jüdisches Leben, Auswanderung und ein Bahnhof nach Amerika

Im 19. Jahrhundert formte sich in Hoppstädten eine lebendige jüdische Gemeinde. Rund ein Viertel der Bevölkerung gehörte dem jüdischen Glauben an. Die Synagoge im Ortskern wurde 1836 eingeweiht. Ein zweistöckiges Gebäude, das sogar die Dienstwohnung des Landesrabbiners beherbergte. Die jüdischen Familien waren im Handel aktiv, im Handwerk, in der Kultur. Doch mit der NS-Zeit kam das Ende dieser Epoche. Deportationen, Pogrome, Zerstörung.

Parallel wanderten viele Christen aus. Zwischen 1840 und 1865 verließen rund 20 Familien das Dorf in Richtung Amerika – getrieben von Not, aber auch von Hoffnung. Hoppstädten-Weiersbach wurde stiller – aber nie stumm.


Ein persönliches Kapitel: Erinnerungen aus dem „Happy Valley“

Für Außenstehende ist „Happy Valley“ nur ein Spitzname für einen längst aufgegebenen US-Stützpunkt. Für mich ist es Kindheit, Jugend – und ein wichtiger Teil meiner Geschichte.

Ich bin Wolfgang Herfurth – ein Birkenfelder Bub mit einem Herz für Hoppstädten-Weiersbach.
Aufgewachsen bin ich in der Kreisstadt Birkenfeld, nur rund fünf Kilometer entfernt. Aber mein Leben, meine Erinnerungen, meine Geschichten – sie sind eng mit dieser Doppelgemeinde verbunden. Besonders mit dem US-Hospital im Ortsteil Neubrücke, das für mich viele Jahre lang ein vertrauter Ort war.

Mein Schwager war Amerikaner. Gemeinsam gingen wir dort einkaufen, spielten Bowling, schlenderten über das Hospital-Gelände. Für uns Jugendliche war das Areal eine eigene Welt – ein Stück Amerika mitten im Hunsrück.

Mit meinem alten Freund Michael Merz verbrachte ich dort viele Stunden. Eine Begebenheit – brenzlig, hätte schiefgehen können – ist uns bis heute im Gedächtnis geblieben. Und wann immer wir uns sehen, lachen wir noch darüber.

Später, ab 1981, begann meine berufliche Zeit in diesem Areal:
Ich absolvierte meine Ausbildung im großen Heizwerk des US-Hospitals – und wurde staatlich geprüfter Hochdruckkesselwärter. Fünf Jahre lang sorgte ich mit meinen Kollegen dafür, dass es in den Klinikfluren warm blieb. Kessel, Rohre, amerikanische Technik – das war unser Alltag. Und das Fundament einer bleibenden Verbindung.

Und eines möchte ich klarstellen: Das ehemalige US-Hospital – und heute der Umwelt-Campus – steht nicht direkt in Hoppstädten-Weiersbach, wie oft angenommen, sondern im Ortsteil Neubrücke. Für die Menschen dort ein wichtiger Unterschied. Und zurecht: Neubrücke war nie bloß ein Anhängsel – sondern ein Ortsteil mit eigenem Herzschlag.


Von der C-Jugend zum Kreismeister – Fußball mit Herz und Geschichte

Schon vor meiner Zeit im Heizwerk habe ich sportliche Geschichte erlebt – im Trikot des SC Birkenfeld-Nahe.
Ich war Teil der C-Jugendmannschaft, die sich zur Kreismeisterschaft spielte – ein echtes Highlight meiner Jugendzeit. Damals hatte man es mit starken Gegnern zu tun. Zwei Mannschaften stachen besonders hervor: der VfR Baumholder und Hoppstädten-Weiersbach.

Gegen Hoppstädten-Weiersbach traten wir in einem entscheidenden Zwischenrundenspiel an – ein echtes Halbfinale. Es war eng, hart umkämpft, leidenschaftlich. Doch wir konnten es für uns entscheiden.
Im Endspiel wartete dann der VfR Baumholder – der große Favorit. Aber auch dieses Spiel entschieden wir – mit Teamgeist, Cleverness und ein bisschen Mut – für uns.

So wurden wir Kreismeister – und ich durfte miterleben, wie Sport nicht nur Tore schießt, sondern Erinnerungen schafft, die ein Leben lang halten.


Vom Militärgelände zum Modellcampus

Als 1994 die US-Armee abrückte, wurde Hoppstädten-Weiersbach zum Pionier des Strukturwandels. Auf dem Gelände des alten Hospitals – genau genommen im Ortsteil Neubrücke – entstand der Umwelt-Campus Birkenfeld, ein Standort der Hochschule Trier. Heute lernen dort über 2.000 Studierende aus aller Welt – im ersten energieautarken Hochschulquartier Europas.

Solarstrom, Biomasseheizung, emissionsarme Architektur – die grünste Hochschule Deutschlands ist mitten im Hunsrück zu Hause. Und mit ihr: junge Menschen aus aller Welt.


Chinesische Investoren, globales Gewerbe und ein neues Miteinander

Ab 2014 kam die nächste Überraschung: rund 1.000 chinesische Bürgerinnen und Bürger zogen nach Hoppstädten-Weiersbach. Viele gründeten Firmen, nutzten das ehemalige Kasernengelände als Gewerbepark. Heute tragen über 200 Unternehmen das Label „Headquarter der Weltfabrik“. Ein Begriff, der mit einem Augenzwinkern zeigt: Globalisierung macht auch vor Dorfgrenzen keinen Halt.

Auf den Straßen hört man Deutsch und Mandarin, in den Regalen asiatische Lebensmittel neben Pfälzer Wurst. Es ist nicht immer reibungslos – aber es ist lebendig. Und es funktioniert.


Industrie, Infrastruktur und Innovation: Das stille Wirtschaftswunder

Neben dem Umwelt-Campus prägen auch große Unternehmen das Ortsbild. Fissler, der weltweit bekannte Hersteller für Kochgeschirr, betreibt in Hoppstädten-Weiersbach ein Logistikzentrum. Daneben die Zentrale von Rofu Kinderland, inklusive einem gigantischen Hochregallager – weithin sichtbar mit seinem roten Schriftzug.

Dazu kommen Mittelständler, Handwerksbetriebe, ein Biomasse-Heizkraftwerk und – nicht zu vergessen – freie Gewerbeflächen für neue Ideen.

Die Gemeinde hat sich von der Agrarregion zum zweitwichtigsten Wirtschaftsstandort im Kreis Birkenfeld entwickelt. Still, effizient, zukunftsorientiert.


Ein Ort mit Herz – und Charakter

Hoppstädten-Weiersbach ist keine touristische Hochburg. Aber wer hier wohnt, weiß um seine Schätze: Die Kapelle St. Katharina, die evangelische Kirche in Weiersbach, der jüdische Friedhof am Eborner Berg. Die Natur ringsum: geschützte Flussauen, Aussichtspunkte, Wanderwege.

Und natürlich: das Gemeindeleben. Kirmes, Kurkonzerte, Karneval. Fußballplatz, Schießstand, Tennisanlage. Für die einen Provinz, für die anderen ein Ort, an dem man noch gemeinsam Feste feiert – und zusammenhält.


Zwei Namen, ein Gefühl: Zusammengehörigkeit

Ja, der Name Hoppstädten-Weiersbach ist sperrig. Im Volksmund heißt es oft liebevoll „Hopfstetten-Bayersbach“. Aber wer die Geschichte kennt, weiß: Hier wurde aus zwei Orten ein gemeinsames Ganzes. Nicht fusioniert – sondern gewachsen.

Der Ort hat sich neu erfunden – mehr als einmal. Und vielleicht liegt gerade darin seine größte Stärke.


Fazit: Wenn Geschichte, Gegenwart und Zukunft im Dorfkern verschmelzen

Hoppstädten-Weiersbach ist mehr als ein geografischer Punkt auf der Landkarte. Es ist ein Ort, der Wandel kann – und Wandel will. Vom keltischen Fürstengrab zum grünen Campus. Vom Fürstentum zur Weltfabrik. Vom Heizwerk zum Hightech.

Und irgendwo mittendrin: Erinnerungen, Menschen, Geschichten. Wie meine eigene.
Und vielleicht – bald – auch deine.


✍️ Ein Beitrag von Wolfgang Herfurth – Birkenfelder Bub mit Herz für Hoppstädten-Weiersbach.


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