Ich stehe stramm, wie man es von mir verlangt. Der Fotograf sagt, ich solle den Blick geradeaus richten – entschlossen, stark. Mein Uniformrock sitzt tadellos, die Knöpfe glänzen, der Tschako fest auf dem Kopf. Ich weiß: Dieses Bild wird bleiben. Für meine Eltern, für meine Geschwister – vielleicht einmal für meine Kinder.

Ich bin Karl, 20 Jahre alt, aus dem kleinen Ort Dienstweiler. Seit zwei Jahren diene ich im Regiment. Es war eine große Sache für unser Dorf, als ich eingezogen wurde. Stolz mischte sich mit Angst. Vater drückte mir damals fest die Hand, sagte nichts – aber ich sah die Sorge in seinen Augen. Mutter weinte heimlich.

Heute, 1891, bin ich Soldat – Teil des großen Kaiserreichs, Teil von etwas, das größer ist als unser kleiner Hof daheim. Ich habe gelernt zu marschieren, zu schießen, zu gehorchen. Die Tage sind streng, die Nächte oft kalt. Manchmal träume ich von Zuhause, vom Duft frischen Brotes, von den Wiesen hinterm Stall. Und dann erwache ich im harten Lagerstroh, das Gewehr neben mir.

Doch ich bin auch gewachsen. In der Kameradschaft mit den anderen Burschen, in der Disziplin, in der Verantwortung. Ich habe gelernt, dass Stärke nicht nur in den Armen sitzt, sondern im Charakter. Und auch wenn ich mir nicht sicher bin, was nach dem Dienst kommen wird – ich weiß: Ich werde als anderer Mann heimkehren.

Vielleicht wird man später sagen: „Das ist Karl Bruch – er hat gedient.“ Vielleicht bin ich dann ein Vorbild. Und wenn ich dieses Bild betrachte, irgendwann, alt geworden, dann werde ich mich erinnern – an Stolz, an Entbehrung, an Jugend.

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