Dienstweiler, März 1921 – Jagd, Gemeinschaft und ein Moment Geschichte

Dienstweiler, März 1921. Vor der Scheune von Otto Bruch versammelt sich eine Gruppe Männer mit ernsten Blicken und geschulterten Flinten. In der Mitte liegt ein erlegtes Wildschwein – das sichtbare Zeichen einer erfolgreichen Jagd. Doch dieses Bild erzählt mehr als nur von Beute: Es gibt einen authentischen Einblick in das ländliche Leben der frühen 1920er-Jahre.
Die Männer stammen aus Dienstweiler, Birkenfeld, Idar und Umgebung – kleine Orte im Hunsrück, wo die Jagd weit mehr war als bloßer Zeitvertreib. Sie war Tradition, Handwerk und gelebte Kameradschaft. Namen wie Ruppenthal, Caspary, Heintz oder Bruch stehen nicht nur für Einzelpersonen, sondern für ganze Familienlinien, die tief in der Region verwurzelt sind.
Die Kleidung, die Haltung, das Setting – alles wirkt geordnet, fast wie eine Formation. Der Erste Weltkrieg lag erst wenige Jahre zurück. Viele der Männer dürften Veteranen gewesen sein. Die Jagd bot ihnen nicht nur Gemeinschaft, sondern vielleicht auch eine Rückkehr zur Normalität, zur Natur, zu den Wurzeln.
Auffällig: Auf dem Bild fehlt Peter Helm, obwohl er der glückliche Schütze war. Der Grund? Er besaß keine Jagdkarte – und durfte deshalb offiziell nicht erwähnt oder gezeigt werden. Ein kleines Detail, das zeigt, wie genau es damals mit Regeln und Ordnung genommen wurde – selbst in einem scheinbar lockeren Kontext wie der Jagd.
Einer der Männer, Otto Ruppenthal, war bekannt als ausgezeichneter Fährtenleser – im Dorf nannte man ihn mit Respekt den „Indianer“.
Dieses Foto ist mehr als ein Bild. Es ist ein zeitgeschichtliches Dokument, das von einem Leben erzählt, das von Pflichtbewusstsein, Bodenständigkeit und Gemeinschaft geprägt war. In einer Zeit, in der es weder Smartphones noch Selbstinszenierung gab, war ein solches Gruppenfoto ein Ereignis – und der Stolz, Teil davon zu sein, steht jedem Einzelnen ins Gesicht geschrieben.
Ein Moment aus der Geschichte – echt, ehrlich, ungekünstelt.
Wolfgang Herfurth – März 2025