🏡 Mopszeitung, Kreuzeichen, Kartoffelwurst – Willkommen im kuriosen Kosmos Gollenberg



Es gibt Dörfer, da vergeht ein Jahrhundert, ohne dass irgendetwas Bemerkenswertes passiert. Und dann gibt es Gollenberg. Dieses kleine Fleckchen Erde inmitten des Hunsrücks, hoch oben auf rund 512 Metern, ist so eigenwillig, stolz und überraschend, dass es mühelos in ein Heimatfilm-Drehbuch passen würde – aber bitte mit einem Augenzwinkern.
Geografie trifft Gefühl: Ein Ort wie aus dem Bilderbuch
Gollenberg, eine der kleinsten Gemeinden im Landkreis Birkenfeld, umfasst gerade einmal 3,25 km² Fläche. Gerade so viel, dass sich Wälder, Wiesen, sanfte Hügel und ein paar urige Fachwerkhäuser darauf wohlfühlen können. Der Blick von der bekannten XXL-Bank am Ortsrand ins grüne Hambachtal ist so malerisch, dass selbst gestresste Großstädter dort kurz vergessen, was WLAN überhaupt ist.
In unmittelbarer Nachbarschaft liegen Ellenberg, Rinzenberg und Oberhambach – allesamt klein, aber fein. Und mittendrin dieses Dorf mit seinen aktuell rund 113 Einwohnern (Stand Ende 2023), die sich zwar manchmal necken, aber immer zusammenhalten.
Ein goldener Name und eine bewegte Vergangenheit
Der Ortsname ist Programm: Bereits 1415 tauchte Gollenberg als „Gulderberg“ in Urkunden auf – der „goldene Berg“. Nicht nur ein schöner Klang, sondern auch ein Symbol für Stolz und Selbstbewusstsein. Im Gemeindewappen lebt der goldene Dreiberg bis heute weiter, eingerahmt von den rot-silbernen Feldern der einst herrschenden Grafschaft Sponheim.
Im Mittelalter Teil der hinteren Grafschaft Sponheim, war Gollenberg später jahrhundertelang eng mit Birkenfeld verbunden – politisch, kirchlich, wirtschaftlich. Doch das Dorf entwickelte seinen ganz eigenen Charakter. Auch als der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert Tod und Zerstörung brachte, hielten sich die Gollenberger auf den Beinen – trotz Verlusten, trotz verbrannter Häuser.
Im 19. Jahrhundert wurde Gollenberg sogar Teil des Großherzogtums Oldenburg – eine kuriose geografische Randnotiz, denn das Hauptgebiet Oldenburgs lag weit im Norden. Doch Gollenberg, nun im Fürstentum Birkenfeld, machte das Beste daraus – wie immer.
Flak-Stellungen und Fliegerangriffe: Als der Krieg ins Dorf kam
Der Zweite Weltkrieg erreichte Gollenberg am 17. März 1945 auf dramatische Weise. Eine deutsche Flak-Einheit verschanzte sich im Ort, woraufhin acht alliierte Tiefflieger den kleinen Ort bombardierten. Fünf Wohnhäuser, zwei Scheunen und mehrere Stallungen wurden zerstört. Das Wunder: Kein Mensch und kein Tier kam ums Leben – alle konnten rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Gollenberg überlebte – wieder einmal.
Doppelgemeinde, Rückbesinnung, Aufbruch
Zwischen 1934 und 1952 war Gollenberg mit dem Nachbardorf Ellenberg zu einer Verwaltungseinheit verbunden. Eine pragmatische Lösung – die aber nicht jedem schmeckte. Ab 1952 ging Gollenberg wieder eigene Wege, wurde später in die Verbandsgemeinde Birkenfeld integriert und verwaltet sich heute mit sechs Ratsmitgliedern und einem langjährigen Bürgermeister, Ralf Simon, selbstbewusst selbst.
Ein Dorf lebt: Vereine, Bräuche und XXL-Herzlichkeit
Kaum zu glauben, wie viel Leben in so wenigen Straßen steckt. Sankt-Martins-Umzug, Hexenfeuer in der Walpurgisnacht, ein echter Nikolausbesuch im Advent, dazu das legendäre „Almfest“ mit Hunsrücker Kartoffelwurst vom Grill – das sind keine Veranstaltungen, das sind emotionale Fixpunkte eines Gemeinschaftsgefühls, das andere Orte längst verloren haben.
Der Dorfgemeinschaftsverein Gollenberg e.V. kümmert sich um den sozialen Kitt. Er betreibt ein liebevoll gepflegtes Freizeitgelände mit Grillhütte, einen Themenspielplatz und ein modernes Gemeinschaftshaus, das mit Küche, Theke und rund 120 Plätzen aufwartet. Wer hier heiratet, feiert oder lacht, tut das mit dem ganzen Dorf.
Zwergcollies, Möpse und die weltweit einzige Mops-Zeitung
Und dann gibt es da noch diese Geschichte, die eigentlich zu schön ist, um wahr zu sein – und doch stimmt: In Gollenberg befindet sich die selbsternannte Mopszentrale Deutschlands. Hier werden Möpse gezüchtet, gehegt, gepflegt – und darüber auch noch eine eigene Zeitung verlegt, die sich ausschließlich dieser Rasse widmet.
Neben Möpsen leben hier auch Shetland Sheepdogs, sogenannte Zwergcollies – kluge, elegante Tiere. Wer durch den Ort läuft, sieht mit etwas Glück bunt bemalte Holztiere, die von einem Dorfbewohner liebevoll geschnitzt und aufgestellt wurden. Gollenberg liebt Tiere – und Tiere lieben Gollenberg.
Landwirtschaft trifft Pferdeträume
Gollenberg war, ist und bleibt landwirtschaftlich geprägt. Der Großteil der Betriebe wird heute im Nebenerwerb geführt. Und doch tut sich was: Im Bereich „Auf den Horstgärten“ wurde ein Sondergebiet für Pferdehaltung geschaffen. Ein bestehender Reiterhof kann dort nun expandieren – unter Schutz der Landschaft, versteht sich. So entsteht Raum für neue Ideen, ohne das Alte zu zerstören.
Anbindung und Zukunftspläne: Abgelegen, aber nicht abgehängt
Wer glaubt, Gollenberg sei von der Welt abgeschnitten, irrt. Die Bundesstraße 269 und die Autobahn A62 sind nur einen Steinwurf entfernt. Mit dem Zug ab Neubrücke geht’s direkt nach Saarbrücken oder Frankfurt. Und vor Ort? Wird investiert: 11 Bauplätze in einem neuen Wohngebiet, ein renoviertes Gemeinschaftshaus und ein frisch eröffneter Spielplatz zeigen, dass hier nicht nur geredet, sondern gemacht wird.
Ein Dorf zwischen Gestern und Morgen
Gollenberg ist mehr als ein Punkt auf der Landkarte. Es ist ein Ort mit Seele, Witz, Geschichte und Haltung. Zwischen Kreuzeichen und Kartoffelwurst, Mopszeitung und Dreiberg-Wappen lebt ein kleines Dorf seinen eigenen Kosmos – manchmal kurios, oft charmant, immer echt.
Ein Stück Rheinland-Pfalz, das mit Tradition im Herzen und Zukunft im Blick zeigt, dass auch ein 130-Seelen-Ort Geschichten erzählen kann, die größer sind als manche Stadt.
Wolfgang Herfurth – April 2025