Zwischen Fluss, Fels und Freiheit:

Die unglaubliche Geschichte von Nohen
800 Jahre Geschichte, ein Dorf mit Charakter – und ein gewonnener Kasten Bier.
Nohen an der Nahe ist mehr als ein Punkt auf der Landkarte: Es ist ein Ort voller Geschichten, Begegnungen und Überraschungen. Einer davon hat der Autor dieses Beitrags selbst erlebt – und sie beginnt mit einer Wette, sechs Wochen Training und dem Versprechen, in der ersten Mannschaft zu stehen.
Was daraus wurde? Der Kasten Bier wurde gewonnen. Die ganze Geschichte – und noch viel mehr – jetzt im Blogbeitrag.
1220: Geburtsstunde eines Namens mit Fluss
Nohen ist nicht irgendein Ort an der Nahe – Nohen ist nach der Nahe benannt. Das allein ist schon außergewöhnlich. Von all den Gemeinden, die entlang des Flusses entstanden, trägt nur Nohen den Fluss im Namen. Frühere Formen wie „Na“, „Nae“ oder „Nah“ lassen erahnen, wie eng der Ort mit dem Flusslauf verwoben war. Bereits um 1220 urkundlich erwähnt, war Nohen vermutlich viel früher besiedelt – an einer der wenigen Furten im engen Tal. Eine logische Wahl für Händler, Soldaten und Siedler gleichermaßen.
Römer, Händler und die Bronzestraße
Schon bevor das erste Dokument geschrieben wurde, war hier Bewegung. Die „Bronzestraße“, eine uralte Nord-Süd-Route, verband das Glantal mit der Mosel. Römer marschierten, Händler zogen Wagen, Pilger wanderten – und mittendrin: Nohen. Die Römer nutzten den Ort als Verbindung zwischen ihren großen West-Ost-Trassen. Mainz, Trier, Metz – Nohen lag strategisch dazwischen. Kein Wunder, dass sich hier früh eine feste Ansiedlung entwickelte.
Mittelalter & Marienwunder:
Die fromme Seite von Nohen
Im Mittelalter wurde Nohen Teil der Hinteren Grafschaft Sponheim – einer Region mit wechselhafter Herrschaft, aber starker regionaler Identität. Das Dorf war dem Oberamt Birkenfeld zugeordnet und gehörte zur Verwaltungseinheit „Pflege Rimsberg“. Nohen wuchs als Bauerndorf – doch nicht irgendeines: Die Kirche, deren Turm aus dem 14. Jahrhundert stammt, war einst eine Marien-Wallfahrtskirche. Gläubige kamen, um zu beten. Und Nohen war mehr als ein Punkt auf der Karte – es war Ziel.
Reformation und Dreißigjähriger Krieg:
Feuerprobe für ein Dorf
1557 kam mit der Reformation der große Wandel – Nohen wurde evangelisch. Während andernorts Glaubenswirren tobten, war hier klare Linie. Doch die relative Ruhe wurde jäh gestört: Der Dreißigjährige Krieg brachte Elend und Tod. 1607 zählte das Dorf 16 Familien, 1699 waren es nur noch 8. Ein tiefer Einschnitt. Aber Nohen stand wieder auf. Bis 1772 stieg die Zahl auf 51 Familien – ein Beweis für die Widerstandskraft dieses Ortes.
1635: Brückenkampf an der Nahe
In der Nacht vom 23. auf den 24. September 1635 wurde Nohen Schauplatz der Weltgeschichte. Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar, auf der Flucht nach der Niederlage bei Nördlingen, kämpfte mit seinen Truppen an der Nohener Brücke gegen kaiserliche Soldaten. Es gelang ihm, den Übergang zu sichern. Die Brücke war in diesem Moment mehr als ein Bauwerk – sie war Rettung.
1772: Gemeindeland und Aufbruch
Die sogenannte badische Zeit brachte eine stille Revolution. Der Markgraf von Baden verteilte Gemeindeland an die Einwohner. Plötzlich war Aufbruch spürbar. Menschen aus der Region kamen, neue Familiennamen tauchten auf. Im „Gemeinen Lagerbuch“ von 1772, dem ältesten erhaltenen Dokument der Gemeinde, lebt diese Epoche bis heute weiter. Namen, die in Nohen geblieben sind – als Spitznamen, Hausnamen, Wurzeln.
Oldenburg lässt grüßen – und die Eisenbahn kommt
Nach dem Wiener Kongress wurde Nohen Teil des oldenburgischen Fürstentums Birkenfeld. Eine Kuriosität – denn Oldenburg liegt im hohen Norden. Dennoch blieb Nohen über 100 Jahre ein entfernter, aber stolzer Teil dieses Herzogtums.
Die große Wende kam Mitte des 19. Jahrhunderts: Der Bau der Nahetalbahn. Ein technisches Meisterwerk – und ein logistisches Wagnis. Zwischen Heisterberg und „Gefallener Fels“ mussten die Ingenieure die Trasse durchpressen. In Nohen wurde eine Feldküche für die Bahnarbeiter eingerichtet, die später zum Gasthaus in Idar-Oberstein umgebaut wurde – eine Randnotiz der Geschichte, die zeigt, wie viel in Nohen entstand.
Weltkriege und Wiederaufbau:
Gedenken und Gemeinschaft
Im Ersten Weltkrieg verlor Nohen viele seiner Söhne. 1924 errichtete das Dorf ein Kriegerdenkmal – neun Steinkreuze, später ergänzt um die Namen der Opfer des Zweiten Weltkriegs. Es steht auf einer Anhöhe, mit Blick über den Ort. Ein Ort der Erinnerung – und der Mahnung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Nohen Teil von Rheinland-Pfalz. Der Wiederaufbau begann, ohne sich selbst zu verlieren. Das Dorf modernisierte sich, blieb aber bodenständig, ländlich, authentisch.
Kirmes, Maifeuer und Vereinsleben:
Ein Dorf, das zusammensteht
Trotz (oder gerade wegen) seiner Größe besitzt Nohen ein reges Gemeinschaftsleben. Die Kirmes ist der jährliche Höhepunkt – einst religiös, heute weltlich, aber nicht weniger festlich. Am 30. April brennt das Maifeuer, im Frühjahr gibt’s das Ostereierschießen, im Advent wird gemeinsam der Weihnachtsbaum geschmückt. Gemeinschaft pur.
Die Vereine – vom Gesangverein über die Feuerwehr bis zum Angelsportclub – halten das Dorf zusammen. Und sie zeigen: Hier ist jeder wichtig. Hier zählt man.
Die Chronik – das Herz in zwei Bänden
Zum 800. Jubiläum entstand eine umfangreiche Dorfchronik. Keine trockene Zahlenreihe, sondern ein lebendiges Mosaik aus Anekdoten, Archivmaterial, Schulgeschichten, Häusern und Familien. Sie zeigt, wie liebevoll und akribisch Nohen seine eigene Geschichte bewahrt – nicht als Pflicht, sondern als Ausdruck von Stolz.
Historische Schätze, steinerne Zeugen
Nohen ist klein, aber reich an Zeugnissen seiner Vergangenheit: Die evangelische Pfarrkirche mit ihrem Westturm aus dem 14. Jahrhundert. Die zweibögige Eisenbahnbrücke aus Sandstein, seit 1860 im Dienst. Der Fußgängersteg für Wanderer, ein stiller Gruß aus der Industrialisierung. Dazu Quereinhäuser, ein rätselhafter Inschriftstein, das markante Ortswappen mit Brücke und Schachfeld. Jeder Stein, jede Linie erzählt – und Nohen erzählt weiter.
Ein persönlicher Blick zurück:
Ein Kasten Bier, sechs Wochen Training und ein Jahr Nohen
Manche Geschichten überdauern Kriege, Herrschaften und Jahrhunderte. Andere sind leiser – und dennoch unvergessen. So wie jene, die Wolfgang Herfurth, der Autor dieses Textes, mit Nohen verbindet.
Ende der 1970er Jahre, als junger Mann, führte ihn eine Wette nach Nohen. Der Einsatz: Ein Kasten Bier. Der Gegner: Der Torwart der Nohener Fußballmannschaft, ein Kollege. Die Herausforderung: Wenn Herfurth es schaffte, nach sechs Wochen Vorbereitung in der ersten Mannschaft zu stehen, gehörte der Kasten ihm.
Und er schaffte es. Mit 28, nach jahrelanger Fußballpause, biss er sich ins Team – und stand vom ersten Spieltag an auf dem Platz. Ein Jahr spielte er für Nohen. Danach war Schluss mit Fußball. Aber nicht mit der Erinnerung.
Diese Geschichte lebt – nicht im Archiv, sondern im Kopf und im Herzen. Und sie zeigt: Nohen ist nicht nur Geschichte. Nohen ist Erlebnis.
Nohen – mehr als ein Ort. Ein Gefühl.
Ob Brücke oder Bierwette, Kriegerdenkmal oder Kirmes – Nohen lebt durch seine Geschichten. Durch seine Menschen. Durch sein Herz.
Zwischen Fluss, Fels und Freiheit liegt ein Dorf, das die Vergangenheit bewahrt und die Zukunft offen umarmt. Für alle, die dort leben. Für alle, die dort waren.
Und für alle, die – wie ich “ Wolfgang Herfurth “ – immer wieder gern an Nohen denken.
Wolfgang Herfurth – April 2025