Sonnenblumen, Kürbisse und Gemeinschaftsgeist: Was Sonnenberg-Winnenberg so besonders macht

Zwischen sanften Hügeln, alten Geschichten und neuen Ideen liegt ein Ort, der sich nicht groß macht – aber Großes zu bieten hat: Die Doppelgemeinde Sonnenberg-Winnenberg im Landkreis Birkenfeld. Wer glaubt, hier sei die Zeit stehen geblieben, wird schnell eines Besseren belehrt. Hier treffen mittelalterliche Wurzeln, gelebte Nachbarschaft und moderne Dorfinitiativen aufeinander. Ein Dorf, das mit Sonnenblumenfeldern, Kürbisfesten und einem Gemeinschaftssinn glänzt, der weit über die Ortsschilder hinausstrahlt.
Ein Dorf mit zwei Namen – und einer starken Geschichte
Die Entstehung der Doppelgemeinde ist alles andere als gewöhnlich: Während der Winnenberger Hof schon im 14. Jahrhundert zur Hinteren Grafschaft Sponheim zählte, wurde das heutige Sonnenberg erst 1761 nach einer Naturkatastrophe gegründet. Ein verheerendes Nahe-Hochwasser zerstörte das damalige Tal-Frauenberg komplett – die Bewohner mussten umgesiedelt werden.
Die Lösung? Zwei neue Siedlungen in höherer Lage: Neu-Frauenberg (das heutige Frauenberg) und eben Sonnenberg. 9 Familien bauten sich auf dem sonnigen Bergrücken ein neues Leben auf. Der Ortsname „Sonnenberg“ war dabei Programm.
Zwei Orte, ein Wappen, ein Stolz
Lange Zeit verliefen die Wege von Winnenberg und Sonnenberg nebeneinanderher – bis in die 1960er Jahre: Damals kam es zur Fusion beider Ortsteile, sichtbar im gemeinsam entworfenen Wappen, das bis heute stolz am Ortseingang prangt.
Das Wappen erzählt Geschichte: Oben das rot-silberne Schachbrett der Grafen von Sponheim, unten eine goldene Sonne und ein stilisiertes „W“ – ein Symbol für Zusammenhalt, Herkunft und Zukunft.
Sonnenblumen am Straßenrand, Kürbisse auf dem Hof
Kaum ein Ort symbolisiert ländliche Kreativität so charmant wie Sonnenberg-Winnenberg. Beispiel gefällig? Benjamin Lommatzsch, ein junger Landwirt, hat mit seinen Ideen den Begriff „Agrarmarketing“ neu definiert: Ein Selbstpflückfeld für Sonnenblumen – 50 Cent pro Blume, ein Spaziergang durch ein gelbes Meer und ein Dorf, das sich von seiner besten Seite zeigt.
Doch damit nicht genug: Das Kürbisfest am Hohensteiner Hof ist längst ein regionaler Magnet geworden. Was 2022 klein begann, zog 2024 bereits über 1000 Besucher an. Einheimische, Gäste, Familien – sie alle kommen, um in ländlicher Kulisse Landwirtschaft zum Anfassen zu erleben. Das ist mehr als Event – das ist Identität.
Ein Dorf, das anpackt
Sonnenberg-Winnenberg lebt vom Engagement seiner Menschen. Sei es beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, bei dem 2024 gleich eine Jury im Planwagen durch den Ort kutschiert wurde – oder in den zahlreichen Projekten zur Dorfverschönerung.
Fachwerk wird renoviert, Blumenbeete angelegt, Spielplätze gestaltet – nicht, weil es jemand verordnet, sondern weil es den Menschen hier wichtig ist. Tradition wird gepflegt: Bei Kirmes, Laternenumzug, Feuerwehrfest. Und wer glaubt, hier sei das Vereinsleben eingeschlafen, der sollte mal einen Blick in den Gemeinschaftsgarten oder die Bastelgruppe werfen.
Mit Ehrgeiz auf dem Platz – und im Herzen
Sonnenberg-Winnenberg war nie ein Ort der großen Zahlen – aber ein Ort großer Haltung. Diese Haltung zeigt sich nicht nur im Gemeinschaftsleben, sondern auch im Sport.
Ein Beispiel aus dem Jahr 1968 bleibt unvergessen: In der C-Jugend traf damals der SC Birkenfeld – mit vollem Kader, professionellem Training und großem Talentepool – auf die Jugendmannschaft aus Sonnenberg-Winnenberg. Das Hinspiel ging mit 18:0 klar an die Birkenfelder. Ein Ergebnis, das in jeder Statistik heraussticht – aber in Wahrheit nur die halbe Geschichte erzählt.
Wolfgang Herfurth, damaliger Spieler des SC Birkenfeld und Autor dieses Artikels, erinnert sich eindrucksvoll an dieses Erlebnis:
„Wir hatten damals zwei- bis dreimal pro Woche Training, beste Bedingungen, viele gleichaltrige Spieler. In Sonnenberg-Winnenberg hingegen war das eine zusammengewürfelte Mannschaft. Elf-, Zwölf-, Dreizehn- und Vierzehnjährige standen gemeinsam auf dem Feld – viele kamen direkt vom Hof, von der Arbeit, vom Anpacken. Ich habe gesehen, wie klein einige im Vergleich zu uns waren – aber der Einsatz, der Wille, der Stolz: Das war groß. Sie haben alles gegeben, bis zur letzten Minute. Und ich habe das nie vergessen.“
Doch was dann passierte, war eine der erstaunlichsten Erfahrungen seiner Jugendzeit: Im Rückspiel, nur ein halbes Jahr später – diesmal auf heimischem Platz in Birkenfeld – kam die favorisierte Mannschaft des SC Birkenfeld nicht über ein 0:0 hinaus.
„Ich glaube, damals standen in der Sonnenberg-Winnenberger Mannschaft ein, zwei Spieler, die im Hinspiel nicht dabei waren – vielleicht, weil sie auf dem Hof helfen mussten. Und genau das macht es aus: Da kommt eine kleine Mannschaft, stellt sich neu auf, wächst zusammen – und bringt uns an den Rand der Verzweiflung. Das 0:0 war für mich ein echtes Ausrufezeichen. Eines, das mir bis heute zeigt, was in diesem Dorf steckt.“
Ein Spiel, das zeigt: Größe misst sich nicht an der Zahl der Tore, sondern an der Haltung – auf und neben dem Platz.
Klein, aber mit klarer Stimme
Mit knapp 423 Einwohnern (Stand 2023) zählt Sonnenberg-Winnenberg zu den kleineren Gemeinden im Landkreis. Aber leise ist es hier deshalb noch lange nicht. Im Gemeinderat sitzen engagierte Bürger, die wissen, was ihr Ort braucht. Seit 2021 steht Frank Robbert an der Spitze – gewählt mit über 97 % Zustimmung.
Sein Vorgänger Ottmar Ding prägte über drei Jahrzehnte das Bild des Dorfes – ein Mann, der für Sonnenberg-Winnenberg stand wie kaum ein anderer. Eine starke Führung für ein starkes Dorf.
Verkehr, Glasfaser und Brücke mit Geschichte
Wer hier lebt, ist nicht von der Welt abgeschnitten – im Gegenteil. Die sanierte Nahebrücke verbindet die Ortsteile mit dem Bahnhof Kronweiler. Die B41 liegt in Griffweite, die A62 ebenfalls. Und auch das Internet ist kein Hindernis: Seit 2019 liegt die Glasfaserleitung im Boden, Home-Office inklusive.
Zwar gibt’s keinen Dorfladen und keine Gaststätte mehr, dafür aber Bäckerwagen, Direktvermarkter und Ferienwohnungen – ganz im Sinne des dezentralen Landlebens. Und wer Lust auf Natur hat: Der Nahe-Radweg führt nur einen Katzensprung entfernt am Fluss entlang.
Zwischen Rückgang und Neubeginn
Wie viele Dörfer kämpft auch Sonnenberg-Winnenberg mit den Folgen des demografischen Wandels: Rückgang der Einwohnerzahl, Überalterung, Abwanderung. Doch: Die Kurve flacht ab.
Dank Neubaugebiet, günstigen Grundstücken und naturnaher Lage ziehen wieder Familien zu. Der Ort reagiert: barrierefreie Umbauten, Nachbarschaftshilfe, Dorfentwicklung. Sonnenberg-Winnenberg geht mit der Zeit, ohne seine Wurzeln zu vergessen.
Ein Ort, der zusammenhält
Ob freiwillige Feuerwehr, Chorgesang oder Kürbisfest – in Sonnenberg-Winnenberg leben Menschen, die für ihren Ort brennen. Die Geschichte dieser Gemeinde ist keine Fußnote, sondern ein Kapitel voller Leben.
Es ist kein Ort für große Schlagzeilen. Aber einer für große Geschichten. Eine davon beginnt jedes Jahr wieder neu – wenn im Sommer die Sonnenblumen blühen.
Fazit: Sonnenberg-Winnenberg ist mehr als eine geografische Einheit. Es ist ein Stück gelebte Heimat im Herzen des Birkenfelder Landes. Ein Ort, der beweist, dass Gemeinschaft kein Zufall ist, sondern Ergebnis von Engagement, Geschichte und Herzblut.
Wolfgang Herfurth – April 2025