Siesbach – Das vergessene Paradies im Hunsrück, das alle überraschen wird

Wenn der Tag langsam beginnt, ein feiner Nebel noch über den Feldern hängt und das Zwitschern der Vögel den Morgen einläutet, wirkt Siesbach wie aus einem alten Heimatfilm. Ein kleiner Ort, fast unscheinbar auf der Landkarte – und doch voll lebendiger Geschichten, stiller Wunder und einem Zauber, den man erst begreift, wenn man ihn selbst gespürt hat.

Siesbach liegt eingebettet im grünen Herzen des Naturparks Saar-Hunsrück, irgendwo zwischen sanften Hügeln, dichten Wäldern und dem gleichnamigen plätschernden Bach, der sich durchs Tal zieht wie ein silbernes Band. Wer hierherkommt, erwartet nichts – und bekommt genau deshalb alles.

Wer einmal mit einer Drohne über Siesbach geflogen ist, weiß, wie diese Landschaft aus der Luft wirkt: ruhig, verwurzelt, aufgeräumt. Ich war selbst einmal dort – als Drohnenpilot, im Rahmen eines anderen Projekts. Ich erinnere mich gut an diesen Moment: Ich stand am Rand des Feldwegs, die Kamera summte, die Sonne brannte leicht durch den Hochnebel – und unten lag Siesbach wie ein gemaltes Bild.
Damals dachte ich nicht daran, später einmal über diesen Ort zu schreiben. Und doch ist genau das passiert. So schließt sich manchmal ein Kreis – ohne dass man es merkt.


Ein Ort, den man nicht sucht – aber den man findet

Die Straßen sind ruhig, der Dorfplatz bescheiden, die Häuser schmiegen sich aneinander, als wären sie sich schon seit Generationen vertraut. Kein Lärm. Kein Stress. Kein Supermarkt an jeder Ecke. Stattdessen: ein paar Hühner im Garten, ein Apfelbaum am Wegesrand und das freundliche Nicken einer älteren Frau mit Einkaufskorb, die gemütlich Richtung Dorfschänke schlendert.

Die Zeit läuft hier langsamer, als wäre sie aus einem anderen Takt gefallen. Aber nicht im negativen Sinne – im Gegenteil. Siesbach erinnert daran, wie sich das Leben anfühlen kann, wenn man es nicht durchscrollt, sondern erlebt.


Geschichte, die atmet

Siesbach ist kein Neuling. Archäologische Funde zeigen, dass hier Menschen schon vor über 2000 Jahren gelebt haben – Kelten, Römer, später Herzöge und Grafen. Ein gallo-römischer Grabhügel versteckt sich im nahen Waldgebiet „Kipp“. Der Grenzstein aus dem Jahr 1590 steht noch immer da, als wäre er nur kurz zum Ausruhen stehen geblieben.

Die Dorfkirche von 1825, schlicht und standhaft, erzählt leise von vergangenen Zeiten. Geschichten gibt es viele – aber sie werden hier nicht inszeniert. Sie sind einfach da. In Mauern, Steinen, Flurstücken.


Ein Dorf, das nicht schreit – sondern erzählt

Siesbach schreit nicht nach Aufmerksamkeit. Es flüstert Geschichten. Vom ersten Schnee, der auf den alten Dachfirsten liegt. Vom Klang der Kirchenglocken, der über das Tal rollt. Vom Holzofenfeuer, das durch die Kamine zieht.

Und es erzählt von Gemeinschaft – jener Art, die sich nicht mit „Like“-Buttons messen lässt. Hier helfen sich die Menschen. Im Garten, beim Umzug, beim Fest. Vereine wie die Freiwillige Feuerwehr, die Heimatfreunde, der Chor oder der Turnverein halten den sozialen Puls des Dorfes am Leben.


Handball in Siesbach – mehr als nur Sport

Und mittendrin: der Handball.
Nicht als Freizeitbeschäftigung, sondern als Teil des kollektiven Gedächtnisses.
In Siesbach sagt man heute noch schmunzelnd:
„Wer damals nicht Handball gespielt hat, bekam beim Bäcker kein Brötchen.“

Denn der Handball war hier einmal alles. Bereits 1935 holte der TV Siesbach seinen ersten Meistertitel. 1957 folgte der Aufstieg in die Oberliga im Feldhandball. Und 1972 dann der große Coup: Meisterschaft in der Oberliga – Aufstieg in die Regionalliga West.
Drei Jahre später: Regionalliga auch in der Halle. Siesbach wurde zu einem Namen, der in der Handballszene weit über die Landesgrenzen bekannt war – nicht wegen eines Sponsors, sondern wegen Willen, Technik, Leidenschaft.

Wer den Ball nicht in der Halle bewegte, stand am Rand. Und wer nicht am Rand stand, der diskutierte im Gastraum der Dorfschänke über die letzte Partie.

Namen wie Uwe Close, später Verbandsliga-Trainer, oder Christina Biehl, gefragte Schiedsrichterin – sie alle haben hier ihre Wurzeln. Im kleinen Siesbach. Auf dem Hallenboden. Im Kreis mit Freunden.

Mit der Zeit veränderte sich die Vereinsstruktur – aus dem TV Siesbach wurde Teil der HSG Tiefenstein/Algenrodt/Siesbach, später HSG Obere Nahe, in der Siesbach noch heute als Stammverein wirkt.
Die Herrenmannschaft spielt aktuell in der Bezirksoberliga Mosel/Nahe, ebenso die Damen. Die Jugend ist stark vertreten – bis in die Oberliga.
Der Ball rollt, springt, fliegt – und Siesbach spielt weiter mit. Still, aber stark.


Leben, wie es sein soll

Auch abseits des Sports bleibt das Dorf lebendig. Eine Kita für die Kleinsten, Busverbindungen in die Region, Bauernhof, Ferienwohnungen, ein Online-Shop für Tierbedarf. Wer in Siesbach arbeitet, tut das oft lokal – oder pendelt ins nahe Idar-Oberstein.

Die Wege sind kurz. Die Gespräche lang. Der Blick oft in die Ferne – aber der Anker bleibt hier.


Wenn das Dorf feiert

Feste? Gibt es viele. Die Maiwanderung mit dem Chor, das Weinfest mit den Heimatfreunden, das gemeinsame Klöße-Kochen. Hier kennt man sich. Und wenn nicht, dann kennt man jemanden, der jemanden kennt. Fremd bleibt selten jemand lange.

Und irgendwann sitzt man auf einer Bank, unter alten Bäumen, hört das Lachen der Kinder vom Spielplatz – und denkt:
Vielleicht braucht’s gar nicht mehr.


Fazit: Wer sucht, wird hier nichts finden. Wer nichts sucht, findet alles.

Siesbach ist nicht spektakulär. Es ist echt. Und genau deshalb bleibt es in Erinnerung.
Wegen der Menschen. Wegen der Ruhe. Wegen des Klangs einer längst verlorenen Zeit, der hier noch leise nachhallt.

Und vielleicht auch – wegen des Handballs.


Ein Beitrag von Wolfgang Herfurth – mit Erinnerungen an einen Sommermorgen über den Hügeln von Siesbach.

Wolfgang Herfurth – April 2025

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