Die Geschichte des Waldfests im Schönewald bei Birkenfeld

„Noch heute duftet die Luft nach Grill und Frühlingsmorgen, wenn ich an die sonnigen Waldlichtungen denke, auf denen wir einst gefeiert haben…“ – so könnte eine Erinnerung an das Waldfest im Schönewald klingen. Das Fest im Birkenfelder Schönewald war über Jahrzehnte eine warme Tradition des Nahelandes: fröhliches Beisammensein im Grünen, Volksmusik unter Fichten, klangvolle Festumzüge und fröhliches Vogelschießen. Seit seiner Gründung Mitte des 19. Jahrhunderts war das Waldfest ein Höhepunkt für die Bürger der Kleinstadt Birkenfeld. Generationen erinnern sich an das Klingeln der Weckrufe, den Ausmarsch durch den Wald und an die feierliche Krönung des Schützenkönigs. Auch wenn heute nur noch Erinnerungen bleiben, zeugen alte Zeitungsberichte und Chroniken von der Bedeutung dieses Festes für die lokale Gemeinschaft.

Gründung und geschichtliche Entwicklung des Fests ab 1849

Das Waldfest wurde 1849 erstmals begangen – als unmittelbare Folge der bürgerlichen Revolution von 1848/49. In diesem Jahr entstand in Birkenfeld das Festkomitee der Bürgerwehr, das bald darauf sein Waldfest ins Leben rief. Bereits in zeitgenössischen Berichten wurde das Fest als „Produkt der Revolution von 1848/49“ bezeichnet. Der Gedanke war, die neu gewonnene Freiheit und Bürgerzusammenhalt auch in fröhlicher Form weiterzutragen. So fand das Waldfest alljährlich im Mai oder Juni statt, meist am zweiten Sonntag, sobald das junge Grün im Schönewald sprießte. In den Gründungsjahrzehnten war das Fürstentum Birkenfeld (ein Teil Oldenburgs) noch eine ruhige ländliche Region, und das Waldfest entwickelte sich schnell zum Volksfest: Zunächst feierte man im kleinen Kreis, aber schon um 1870 kamen Schaulustige auch aus den umliegenden Dörfern. Zwischenzeitlich ruhte das Fest im 19. Jahrhundert nur in den kriegsgeprägten Jahren (etwa während der Revolution 1849 oder später im Ersten und Zweiten Weltkrieg), doch ansonsten setzten die Birkenfelder ihre Tradition fort. Im Jahr 1974 gab die Waldfestgesellschaft zu ihrem 125-jährigen Bestehen eine Festschrift heraus – ein deutliches Zeugnis für die lange Kontinuität des Festes. Auch um das Jahresende 1900 und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts blieben Waldfeste regelmäßige Ereignisse in Birkenfeld. Sogar hohe Persönlichkeiten der Großherzoglichen Familie nahmen gelegentlich daran teil: So vermeldete 1904 das Jeverische Wochenblatt, dass „die Höchsten Herrschaften“ angekündigt hatten, „dem Birkenfelder Waldfest mit ihrem Besuch zu beehren“. Solche Auszeichnungen unterstreichen, dass das Waldfest weit über den Heimatkreis hinaus Ansehen genoss.

Rolle der Waldfestgesellschaft und des Schützenvereins

Verantwortlich für das Fest war die Waldfestgesellschaft mit Schützenabteilung e.V. Birkenfeld. Diese von Bürgern getragene Vereinigung organisierte das Waldfest und vereinte dabei einen Schützenzug mit. Das Schießen und der Schützenausmarsch gehörten genauso zum Programm wie Tanz und Gesang. Daneben existierte in Birkenfeld ein eigenständiger Schützenverein: Der heutige Schützen-Club Birkenfeld wurde am 1. Mai 1928 gegründet. Während die Waldfestgesellschaft sich speziell um das Fest selbst kümmerte (und noch heute als Traditionsverein besteht), pflegte der Schützen-Club den Schießsport im engen Sinne. Beide Organisationen sicherten zusammen die Brauchtumspflege: Die Waldfestgesellschaft stellte den Festbetrieb sicher und sorgte für den kirchlichen Gottesdienst, Musiker und Festplatz; die Schützenabteilung wählte traditionsgemäß den Waldfest-König durch eine Scheibenordnung. Die Kombination aus Volksfest und Schützentradition spiegelte sich schon im Namen wider. Im Laufe der Jahrzehnte bildete die Waldfestgesellschaft mit ihrer Schützenabteilung daher die Keimzelle des Brauchtums: Sie hielt „die Tradition des Festkomitees der Birkenfelder Bürgerwehr“ hoch und arbeitete eng mit der Stadtpfarrei sowie örtlichen Blasmusikern zusammen.

Typische Programmpunkte und Bräuche

Schon zu den ältesten Festen gehörte ein festlicher Ausmarsch durch das Waldgebiet. Sonntagvormittag fand meist ein Kirchgang statt, bevor sich die Festgesellschaft nachmittags zum eigentlichen Waldfest versammelte. Anschließend zogen Festabordnungen, Musikverein oder Spielmannszüge mit wehenden Fahnen aus dem Schönewald heraus, begleitet von den Klängen eines Marsches. Zentrale Elemente des Fests waren dabei stets:

  • Ausmarsch: Der Festtag begann oft mit einem Auszug durch Wald und Wiesen. Gewehre klackerten, während die Schützen und Heimatfreunde in Uniform oder Tracht durch den Schönewald marschierten und der ganzen Stadt zeigten, dass das Fest begonnen hatte.
  • Schützenkönig: Im Lauf des Sonntags stand das Königsschießen im Mittelpunkt. Traditionell wurde eine Holzvogel- oder Scheibenordnung abgehalten, bei der der Waldfest-Schützenkönig ermittelt wurde. Seine Krönung im Festzelt war ein feierlicher Höhepunkt: Der neue König erhielt Schärpe, Orden und die Königskette als Auszeichnung.
  • Musik und Tanz: Auf der Festwiese und im Zelt spielte zumeist der Musikverein 1879 Birkenfeld oder eine andere Kapelle auf. Blasmusik, Polka und Volkstänze sorgten für fröhliche Stimmung. Jung und Alt schunkelten zu Märschen und Gesang, bis in den späten Abend hinein dauerten Tanz- und Unterhaltungsmusik.
  • Gottesdienst: Bereits in historischen Zeitungsnotizen wird betont, dass das Waldfest einen religiösen Auftakt hatte. Der Sonntagsgottesdienst am frühen Morgen – oft im großen Festzelt oder der Kirche – gehörte fest zum Programm. Der Schirmherr (oft ein Pfarrer oder Ehrengast) sprach ein Grußwort, anschließend marschierte man gemeinsam zur Festwiese.

Daneben gab es viele kleinere Bräuche: Festbieranstich, erweiterte Bürgerversammlung unter freiem Himmel, Kinderschießen für die Jugend und kulinarische Spezialitäten wie Bratwurst und Waldfestbier. Überliefert sind auch volkstümliche Wettspiele, Tombolas oder ein gemeinsames Festfoto am Kriegerdenkmal. All diese Punkte bildeten den bunten Rahmen und machten das Waldfest zu einem Fest für die ganze Familie.

Anekdoten, Erinnerungen, Besonderheiten

Rund ums Waldfest ranken sich manche Anekdoten und Erinnerungen. Ein besonders denkwürdiger Moment wurde schon 1904 festgehalten: Das Jeverische Wochenblatt berichtete, dass sich an jenem Sonntag „die Höchsten Herrschaften – dem Vernehmen nach“ angekündigt hatten, um dem Waldfest „mit ihrem Besuch zu beehren“. Man kann sich vorstellen, wie die Birkenfelder mit Stolz reagierten, als sie hörten, dass möglicherweise der Großherzog oder seine Familie zum Fest kommen würden. Solche Nachrichten verhalfen dem Waldfest zu regionaler Berühmtheit. In Erinnerungen älterer Birkenfelder heißt es auch, dass manche Waldfeste trotz Regen und Matsch ausgemacht wurden – die Feierlaune konnte selbst widrigem Wetter nichts anhaben. Andere Anekdoten handeln von legendären Festzügen: So soll es Waldfeste gegeben haben, bei denen jeder Vereinsgründer des vorigen Jahrhunderts in historischen Uniformen mitmarschierte. Und nach dem verlorenen Scheibenwurf eines starken Schützen hat die ganze Gesellschaft über Tage noch gelacht. Generell war das Fest immer geprägt von kameradschaftlicher Stimmung: Jung und Alt erzählten sich beim Pläuschchen am Kaffeetisch am Nachmittag alte Geschichten über vergangene Waldfeste.

Letzte Jahre des Fests und Ende der Tradition

In den letzten Jahrzehnten verlor das Waldfest jedoch zunehmend an Präsenz. Neue Feste und Veranstaltungen, etwa die Gemeindekirmes oder das Weinfest in Birkenfeld, rückten in den Vordergrund, und die Ressourcen der Vereine verlagerten sich. Die Waldfestgesellschaft blieb zwar weiter bestehen (sie ist noch im Vereinsverzeichnis der Region genannt), doch die eigentlichen Waldfest-Feierlichkeiten wurden nur noch selten veranstaltet. Ende des 20. Jahrhunderts gab es Berichte von den letzten Festen, danach verschwand das Waldfest allmählich aus dem Veranstaltungskalender. Ein offizielles Abschlussfest gab es nicht – die Tradition erlosch leise. Für viele Birkenfelder bleibt sie dennoch lebendig in der Erinnerung: Der alte Waldfestplatz im Schönewald erinnert bis heute daran, dass hier einst Musik erklang und Frohsinn herrschte. Die Geschichte des Waldfests zeigt, wie eng Gemeinschaft, Heimatgefühl und Brauchtum in Birkenfeld einst miteinander verwoben waren.

Quellen: Zeitgenössische Berichte und Chroniken belegen die lange Tradition des Waldfestes. So nannte ein Festartikel von 1979 das Waldfest deutlich ein „Produkt der Revolution von 1848/49“ und würdigte, dass die Waldfestgesellschaft «die Tradition des Festkomitees der Birkenfelder Bürgerwehr» fortführt. Auch historische Lokalblätter beschreiben die einzelnen Programmpunkte – etwa in einem Bericht von 1904, der ausdrücklich auf den Sonntags-Kirchgang und das nachmittägliche Festumzug hinweist. Die offizielle Chronik des Schützenvereins Birkenfeld dokumentiert, dass neben der Waldfestgesellschaft seit 1928 ein Schützenverein bestand. Auf diese Weise ergänzt sich das Bild einer über 150 Jahre gepflegten Festtradition im Birkenfelder Schönewald.

Wolfgang Herfurth – Mai 2025

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