MACHER, TURNVATER, BÜRGERMEISTER: DAS DOPPELTE ERBE DES CARL SCHLEY

EIN STILLER GESTALTER IM SCHATTEN DER GESCHICHTE
In der öffentlichen Erinnerung einer Region überleben oft nur wenige Namen. Politiker, die Schlagzeilen machten. Unternehmer, die Wohlstand brachten. Künstler, die glänzten. Doch gerade jene, die ohne viel Aufhebens ganze Strukturen aufbauten – sie geraten oft in Vergessenheit. Einer von ihnen: Carl Schley, ein Mann, der Birkenfeld an der Nahe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägte – als Bürgermeister, Turnvater, Ehrenamtler und Gemeindegestalter.
ZWISCHEN AMTSZIMMER UND EHRENAMT: EIN LEBEN FÜR DIE GEMEINSCHAFT
Carl Schley war vieles – aber vor allem ein Macher. Von 1933 bis 1942 stand er als Amtsbürgermeister an der Spitze der Verwaltung Birkenfelds. In einer Zeit, die politisch von der NS-Diktatur geprägt war, war dieses Amt nicht einfach. Wie bei vielen kommunalen Funktionsträgern stellt sich auch bei Schley die Frage nach einer NSDAP-Mitgliedschaft. Doch die historische Quellenlage bleibt neutral: Es gibt keine Hinweise auf eine Parteimitgliedschaft oder ideologische Nähe.
Bereits mit 57 Jahren hatten die Nationalsozialisten ihn 1942 in den Ruhestand geschickt. Mit umso größerer Leidenschaft setzte er sich für den TVB ein, der ihm 1951 die Ehrenmitgliedschaft mit Sitz und Stimme im Vorstand und 1962 den Ehrenvorsitz verlieh. Unvergessen sind die von ihm organisierten Götzwanderungen und Fahrten.
TURNVATER MIT HERZ UND HALTUNG
Schon lange vor seiner Zeit in Birkenfeld hatte Carl Schley seine Leidenschaft für den Turnsport entdeckt. Von 1908 bis 1920 leitete er den Turnverein Nohfelden – eine Zeit, in der Sportvereine nicht nur Orte der Bewegung, sondern Zentren der Gemeinschaft waren.
Nach seinem Wechsel nach Birkenfeld übernahm er den Vorsitz des Turnvereins Birkenfeld und setzte dort seine Arbeit mit unvergleichlichem Einsatz fort. Unter seiner Führung wurde der Bau der vereinseigenen Turnhalle realisiert – ein Projekt, das den Verein bis heute prägt.
VERANTWORTUNG STATT RAMPENLICHT
Carl Schley war kein Mann der großen Worte. Er suchte nicht die Bühne, sondern sorgte dafür, dass sie stand. Er kombinierte Verwaltungserfahrung mit Vereinsleidenschaft – eine seltene und wertvolle Mischung. Ob als Beamter oder Ehrenamtler: Er wirkte dort, wo Struktur, Herz und Verlässlichkeit gefragt waren.
Sein Wirken war leise, aber nachhaltig. Als die politischen Umstände ihn zwangen, das Amt aufzugeben, zeigte er umso mehr, dass seine Leidenschaft dem Ehrenamt galt – nicht der Macht.
EIN LEBEN, DAS WEITERWIRKT
Carl Schley verstarb 1966. Sein Name taucht auf keinem Straßenschild auf, es gibt kein Denkmal, keine Gedenktafel. Doch in den Strukturen des Turnvereins, in den Erinnerungen an die Wanderungen, Fahrten und Begegnungen lebt er weiter.
Wer ihm keine Verbrechen nachweisen kann, sollte sein Wirken nicht infrage stellen. Er war kein Parteigänger, kein Mitläufer – sondern ein Mensch mit Haltung, mit Gemeinsinn und einem tiefen Verständnis für Zusammenhalt.
FAZIT: DER STILLE BAUMEISTER VON BIRKENFELD
Carl Schley steht für eine Generation, die Verantwortung übernahm, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Sein Einsatz im Rathaus und im Verein formte Birkenfeld mit – nicht laut, aber spürbar.
Sein Name mag in der Öffentlichkeit kaum präsent sein – doch sein Wirken verdient Anerkennung. Gerade heute, in einer Zeit, in der Ehrenamt oft unter Druck steht, erinnert seine Geschichte daran, wie viel eine einzelne Person bewirken kann. Nicht mit Parolen – sondern mit Taten.
Wolfgang Herfurth