Achtelsbach: Das 1000-jährige Dorf, das aus der Asche neu erstand

Versteckt zwischen Wäldern und Wiesen des Hunsrücks, nahe der Grenze zum Saarland, liegt ein Ort, der auf eine Geschichte zurückblickt, die älter ist als viele Städte – und dramatischer, als man es diesem kleinen Dorf zutrauen würde: Achtelsbach. Hier begegnen sich mittelalterliche Ritter, reformatorische Streitigkeiten, französische Besatzer und der Mut einer Gemeinde, die selbst nach einem verheerenden Kirchenbrand nicht den Glauben verliert. Eine Zeitreise durch mehr als ein Jahrtausend – mit einem Schauplatz, der bewegt und berührt.

Anfänge im Nebel der Geschichte

Obwohl Achtelsbach erstmals 1256 schriftlich erwähnt wird, führt der Blick zurück noch weiter – bis ins Jahr 990, als hier eine Kirche erbaut wurde. Eine Kirche aus der Frühzeit des Mittelalters, ein Hinweis darauf, dass an diesem Ort schon lange zuvor Menschen lebten. Wahrscheinlich war Achtelsbach einst ein adeliger Gutshof an einem Bach, ausgestattet mit besonderen Rechten. Der Ortsname selbst – einst „Atelsphah“ – verweist auf eine Kombination aus „Acht“ (ein geschütztes Herrenland) und „Atzung“ (Versorgungsrecht). Achtelsbach: Ein Ort von Bedeutung, noch bevor jemand von ihm schrieb.

Mächtige Herren und politische Rangkämpfe

1256 ist das Dorf urkundlich fassbar – in einer Bestätigung des Grafen Heinrich von Salm und Hunolstein, der Achtelsbach als Lehen an Johann von Hunolstein und dessen Frau Christiane überträgt. Im Laufe der Jahrhunderte wird Achtelsbach zum Mittelpunkt einer eigenen Pflege (Verwaltungsbezirk), mit Einfluss auf umliegende Orte wie Dambach, Meckenbach und Traunen.

1315 wird das Dorf Zentrum dieser Pflege – eine Art mittelalterliches Amtsgericht mit umfassender Bedeutung. Die Herrschaftsverhältnisse wechseln, es wird gestritten, getauscht, annektiert: Vom Kurfürstentum Trier gelangt Achtelsbach in den Einflussbereich der Pfalz-Zweibrücken. 1480 setzt Herzog Ludwig I. schließlich einen eigenen Schultheißen ein – ein klarer Hinweis auf Achtelsbachs Verwaltungsgewicht in der Region. Später wächst die Pflege um weitere Orte wie Ellweiler, Eisen und Eckelhausen – ein kleines Zentrum mit großer Wirkung.

Reformation, Konflikte und eine geteilte Glaubenswelt

Mit der Reformation im 16. Jahrhundert beginnt ein neues Kapitel. Achtelsbach wird protestantisch, nachdem der Herzog von Zweibrücken 1588 das reformierte Bekenntnis einführt. Was folgt, ist ein Glaubenskonflikt, der das Dorf und seine Umgebung spaltet. Die Nachbardörfer Abentheuer und Teile von Brücken, nicht zum Herzogtum gehörend, bleiben lutherisch – und verweigern fortan die Teilnahme am reformierten Gottesdienst in Achtelsbach.

1721 gipfelt der Zwist darin, dass sie sich am Bau eines neuen Pfarrhauses schlicht nicht mehr beteiligen – ein Zeichen tiefer konfessioneller Trennung. Erst mit der Französischen Revolution und der politischen Neuordnung ab 1797 kommt Bewegung in die Sache: Kirchliche Strukturen werden abgeschafft, und die Pfarrei-Zugehörigkeiten neu geregelt.

Mit der Kirchenunion von 1817 – nun unter oldenburgischer Verwaltung – endet der religiöse Zwist. Reformierte und Lutheraner werden vereint zur evangelischen Landeskirche im Fürstentum Birkenfeld. Achtelsbach ist fortan ein Teil der neuen Gemeinschaft – allerdings ohne eigenen Pfarrer ab 1924, was zur Betreuung durch benachbarte Gemeinden führt.

Verwaltungssitz, Kriegerdenkmal und Bunker: Achtelsbach im 19. und 20. Jahrhundert

In der Franzosenzeit wird Achtelsbach 1798 zur Mairie, einer Art Bürgermeisterei unter französischer Verwaltung. Nach dem Wiener Kongress 1815 wird es Teil des Großherzogtums Oldenburg, genauer: des Fürstentums Birkenfeld. Bis 1876 bleibt Achtelsbach Sitz einer oldenburgischen Verwaltung. Die Bevölkerung wächst langsam, von rund 300 im 19. Jahrhundert auf knapp 500 gegen Ende des 20. Jahrhunderts.

Kriege hinterlassen Spuren. Im Ersten Weltkrieg fallen viele Achtelsbacher. Das Kriegerdenkmal nahe der Kirche, gestaltet vom Hermeskeiler Bildhauer Johann Wettgen, erinnert bis heute an sie. Später – in der Zeit des Zweiten Weltkriegs – wird Achtelsbach zur Grenzgemeinde: Zollhäuser stehen an den Ortsrändern, einige davon sind noch heute erhalten. In den umliegenden Wäldern finden sich die Überreste von Bunkern – stille Zeugen einer bewegten Zeit.

Nach 1946 gehört Achtelsbach zum neu gegründeten Bundesland Rheinland-Pfalz. Und während sich wirtschaftlich vieles verändert – die Landwirtschaft tritt zurück, Pendler bestimmen das Berufsleben – bleibt Achtelsbach ein Dorf mit Charakter.

Die Kirche: Ein Jahrhundertbau und Symbol der Hoffnung

Sie ist das Herzstück Achtelsbachs: Die evangelische Kirche mit ihrem markanten Turm, gebaut um das Jahr 990, einst dem heiligen Ulrich von Augsburg geweiht. Der barocke Umbau von 1738 prägt ihr heutiges Aussehen. In der Kirche vereinen sich Gotik, Barock und Jahrhunderte lebendiger Geschichte. Die Grabplatte von 1738 im Kirchturm erinnert an ihre großen Zeiten, die Orgel von Oberlinger aus dem Jahr 1893 war ein musikalisches Juwel.

Dann kam der Schicksalsschlag: In der Nacht des 8. Januar 2010 brennt die Kirche. Der Turm, die Empore, die Orgel – schwer beschädigt oder zerstört. Ein ganzes Dorf steht unter Schock. Doch was dann passiert, ist beispiellos: Hilfsbereitschaft, Spenden, Ehrenamt. Im Frühjahr 2011 werden neue Glocken gegossen, die am 19. April probeweise erklingen – ein Klang, der Hoffnung machte.

Am 31. Juli 2011 ist es so weit: Die Wiedereinweihung wird zum Dorffest. Mehr als 250 Menschen – weit mehr, als die Kirche fassen kann – feiern das Wunder. Später folgt eine neue Orgel, gebaut von Reiner Müller aus Merxheim. Am 2. Juni 2013 erklingt sie zum ersten Mal: ein Symbol für den unerschütterlichen Geist Achtelsbachs.

Heute: Nationalparkgemeinde mit Weitblick

Heute zählt Achtelsbach rund 400 Einwohner – und ist offiziell Nationalparkgemeinde im Hunsrück-Hochwald. Zwei Drittel der Gemarkung sind Waldgebiete, viele davon geschützt. Natur und Dorfleben greifen ineinander. Und: Achtelsbach denkt voraus. Mit fünf Windrädern auf der eigenen Gemarkung setzt man auf erneuerbare Energien – und nutzt die Erlöse für die Gemeindeentwicklung.

Dorfleben? Lebendig wie eh und je. Feuerwehr, Vereine, die „Aalsbacha Dorfzeitung“ – das soziale Miteinander lebt. Besonders stolz ist man auf das Landheim Achtelsbach, ein Pfadfinderzentrum in einem alten Bauernhaus von 1825. Tausende Jugendliche aus ganz Deutschland kommen jedes Jahr – für Lager, Seminare, Abenteuer. Ein Ort, der Geschichte und Zukunft verbindet.

Achtelsbach bewahrt, was war – und blickt nach vorn

Historische Quereinhäuser entlang der Hauptstraße, das Forsthaus Neuhof von 1855, die traditionelle Kerb zu Ehren von St. Ulrich – Achtelsbach ist durch und durch verwurzelt. Und doch modern. Die 760-seitige Ortschronik von Heimatforscher Alfred Eiler, erschienen im Jahr 2000, ist Zeugnis einer Gemeinde, die stolz auf ihr Erbe ist.

Ein Dorf, das sich treu bleibt – und immer wieder neu erfindet. Achtelsbach: klein, aber mit Geschichte, Herz und Haltung.


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