
Einleitung: Birkenfeld, eine kleine Kreisstadt im Hunsrück, hatte über fast zwei Jahrzehnte ein Gesicht, das untrennbar mit ihrer Entwicklung verbunden ist: Erich Mörsdorf. Von 1971 bis 1990 stand Mörsdorf an der Spitze der Stadt und der Verbandsgemeinde Birkenfeld und prägte diese Zeit maßgeblich. Vielerorts kennt man ihn bis heute als den bodenständigen „Macher“, der stets nah bei den Menschen war. Wer ihn als Bürgermeister suchte, brauchte selten ins Rathaus zu gehen – häufig traf man ihn auf dem Wochenmarkt, beim Sportfest oder in der Vereinshalle. „Manche sagten, er habe mehr Kilometer auf Birkenfelds Straßen zurückgelegt als jeder andere – nicht mit dem Dienstwagen, sondern zu Fuß, im direkten Gespräch mit den Leuten“, erinnert sich ein Zeitzeuge. Dieser persönliche Stil, kombiniert mit visionärer Tatkraft, machte Erich Mörsdorff zu weit mehr als einem Verwaltungsbeamten: Er wurde zum Mitgestalter der Birkenfelder Geschichte. Dieses Porträt zeichnet seinen Weg vom beruflichen Werdegang über die Höhepunkte und Herausforderungen seiner Amtszeit bis hin zu seiner politischen Haltung, seinen privaten Leidenschaften und dem bleibenden Vermächtnis nach.
Persönliche Erinnerungen
Als Kind begegnete ich Erich Mörsdorf nicht als Bürgermeister, sondern als Nachbar – er lebte unweit meiner Straße in Birkenfeld. Obwohl ich ihn nur vom Sehen kannte, hinterließ er einen bleibenden Eindruck: eine Ausstrahlung, die Wärme und Respekt zugleich vermittelte. Sein Lächeln war freundlich, seine Haltung aufrecht – er war jemand, der Autorität ausstrahlte, ohne Furcht zu erzeugen. Diese Erinnerung an ihn ist für mich ein Sinnbild für die Art von Führung, die Nähe und Integrität vereint.
Frühe Jahre und beruflicher Werdegang
Erich Mörsdorff wurde Ende der 1920er-Jahre geboren (im März 1929) und erlebte Kindheit und Jugend in einer Zeit des Umbruchs – vom Zweiten Weltkrieg über die Nachkriegsjahre bis zur Gründung des modernen Rheinland-Pfalz. Über seinen beruflichen Werdegang vor dem Bürgermeisteramt ist wenig öffentlich dokumentiert. Doch fest steht, dass Mörsdorff bereits in den 1960er Jahren begann, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Er gehörte dem Stadtrat von Birkenfeld an und machte sich früh einen Namen als jemand, der Verantwortung übernimmt und anpackt. In dieser Phase – die Stadt Birkenfeld hatte damals noch eine eigenständige Stadtverwaltung – sammelte er wertvolle Erfahrungen in der Kommunalpolitik. Möglicherweise kam ihm dabei seine bodenständige Art zugute, mit der er Bürgernähe lebte: Kollegen wie Bürger schätzten ihn als pragmatischen Problemlöser, der eher das Gespräch auf der Straße suchte als große Reden im Sitzungssaal zu schwingen.
Einen formalen Karriereweg in Verwaltung oder Politik – etwa ein Hochschulstudium oder höhere Beamtenlaufbahn – hat Mörsdorf selbst nie in den Vordergrund gestellt. Vielmehr wuchs er organisch in seine Rollen hinein. Er arbeitete nach dem Krieg zunächst in der Region – genaue Quellen hierzu fehlen, doch könnte er in der Kreisverwaltung oder im öffentlichen Dienst tätig gewesen sein. Klar ist aber, dass er 1971 bereitstand, als ein politisches Erdbeben die Kommunalstrukturen im Land veränderte: die Gebietsreform in Rheinland-Pfalz.
Aufbruch 1971: Vom Stadthaus ins Verbandsgemeindeamt
1970/71 wurden in Rheinland-Pfalz viele kleinere Verwaltungen zusammengelegt. Für Birkenfeld bedeutete dies konkret: Die Stadt (weniger als 7.500 Einwohner) wurde in eine neu geschaffene Verbandsgemeinde Birkenfeld integriert. Damit endete die Ära der eigenständigen hauptamtlichen Stadtbürgermeister – Werner Käufer, Mörsdorfs Vorgänger, musste 1970 sein Amt aufgeben. In dieser Situation des Übergangs fiel die Wahl auf Erich Mörsdorf als ersten Verbandsbürgermeister. Am 1. Januar 1971 trat er sein Amt an und übernahm damit zugleich eine Doppelfunktion: Er stand in Personalunion sowohl der Stadt Birkenfeld als auch der ganzen Verbandsgemeinde (mit rund 30 Ortsgemeinden) vor. Diese Doppelrolle prägte seine gesamte Amtszeit.
Die ersten Jahre waren ein Aufbruch ins Ungewisse. Mörsdorf musste eine Verwaltungsreform in die Praxis umsetzen: Aus ehemals eigenständigen Gemeinde- und Stadtverwaltungen eine gemeinsame Einheit formen. Das alte Birkenfelder Stadthaus in der Hauptstraße – bis 1971 Sitz der Stadtverwaltung – diente übergangsweise auch der neuen Verbandsgemeinde als Verwaltungsgebäude. Schon bald plante man jedoch ein modernes Verwaltungszentrum, um der erweiterten Aufgabenfülle gerecht zu werden. 1979 war es soweit: Die Verbandsgemeindeverwaltung zog aus dem betagten Stadthaus aus – ein deutliches Zeichen, dass die kommunale Neustrukturierung nun auch räumlich verankert war. Mörsdorff hatte damit eine seiner ersten großen Aufgaben gemeistert: Die Zusammenführung der Verwaltungen unter einem Dach.
Für den damals Anfang-Vierziger bedeutete dies, Führungsstärke und Diplomatie zu beweisen. Er musste Mitarbeiter aus verschiedenen Orten zu einem Team formen, neue Ratsgremien moderieren und das Vertrauen der Bürger gewinnen, die der Reform teils skeptisch gegenüberstanden. Zeitzeugen berichten, dass Mörsdorf diese Herausforderungen mit Ruhe und Pragmatismus anging. Er bewahrte Bewährtes – so blieben etwa Bürgerservices vor Ort erhalten – und führte behutsam Neues ein. Dadurch gelang es ihm, der abstrakten Verwaltungseinheit „Verbandsgemeinde“ ein menschliches Gesicht zu geben.
19 Jahre Bürgermeister: Projekte, Herausforderungen und Entwicklungen
Erich Mörsdorfs Amtszeit von 1971 bis 1990 umfasste nahezu zwei Jahrzehnte rapiden Wandels – und er verstand es, diesen Wandel aktiv für Birkenfeld zu gestalten. Während seiner 19 Jahre im Amt als Stadt- und Verbandsbürgermeister realisierte er eine Fülle von Projekten und initiierte wegweisende Entwicklungen. Dabei folgte er keinem starren Masterplan, sondern reagierte flexibel auf die Bedürfnisse der Zeit, stets mit einem Blick auf die Zukunft seiner Heimatstadt.
1982: Erich Mörsdorf (links) bei der 650-Jahr-Feier von Birkenfeld. Als Bürgermeister zeichnet er eine engagierte Bürgerin mit einer Ehrenurkunde aus – ein Symbol für die Wertschätzung des Ehrenamts und des gemeinschaftlichen Engagements.

Zu Beginn der 1970er Jahre standen Infrastruktur und Grundversorgung im Vordergrund. Birkenfeld sollte Schritt für Schritt moderner und lebenswerter werden. Mörsdorff setzte auf Infrastrukturmaßnahmen, die nicht bloß Flickwerk waren, sondern strategisch geplant wurden. So wurden Straßen nicht nur ausgebessert, sondern teils neu trassiert und an geänderte Verkehrsbedürfnisse angepasst. Neue Wohngebiete entstanden am Stadtrand – aber stets mit Bedacht ins bestehende Stadtbild eingefügt. Ein Beispiel dafür ist die behutsame Erweiterung von Birkenfeld in Richtung der umliegenden Hügel, wo neue Einfamilienhaussiedlungen mit Grünflächen eingeplant wurden.
Eine zentrale Verbesserung war die verkehrstechnische Anbindung Birkenfelds an das überregionale Straßennetz. In den 1980er Jahren wurde die Autobahn A62 fertiggestellt, die bei Birkenfeld eine Anschlussstelle erhielt – ein Meilenstein, der die ehemals periphere Lage spürbar verbesserte. Mörsdorff begrüßte diese Entwicklung und hatte sich im Vorfeld dafür eingesetzt, dass Birkenfeld nicht vom Fernstraßennetz abgeschnitten blieb. „Birkenfeld [dürfe] nicht isoliert bleiben, sondern [müsse] sich wirtschaftlich und verkehrstechnisch öffnen“, lautete sinngemäß seine Maxime. Mit der Autobahn und der schon bestehenden Bundesstraße 41 war die Stadt fortan direkt mit Trier, Saarbrücken und dem Rhein-Main-Gebiet verbunden – ein Pluspunkt sowohl für Pendler als auch für Unternehmen.
Bildung und Betreuung lagen Mörsdorf besonders am Herzen. Er war überzeugt: „Zukunft beginnt mit Bildung.“ Dieser Überzeugung folgend, initiierte er den Ausbau der Schullandschaft in Birkenfeld. In den 1970er Jahren wurde eine neue Grundschule gebaut bzw. die bestehende modernisiert – die Grundschule an den Gerbhäusern etwa erhielt Erweiterungsbauten. Auch die weiterführenden Schulen (Realschule und Gymnasium) profitierten in seiner Amtszeit von Sanierungen und Neubauten von Fachräumen. Gleichzeitig förderte Mörsdorf den Bau moderner Kindergärten in Stadt und Verbandsgemeinde, um jungen Familien eine gute Betreuung zu bieten. Zudem unterstützte er Ausbildungsinitiativen: Als in den 1980ern die berufliche Bildung stärker in den Fokus rückte, arbeitete Mörsdorff eng mit der Kreisverwaltung und Betrieben zusammen, um Birkenfeld als Standort z.B. für eine Berufsschule oder Fortbildungszentren attraktiv zu machen.
Neben Beton und Asphalt verlor er jedoch nie die „Seele“ der Stadt aus dem Blick. Was nützt die beste Infrastruktur, wenn eine Stadt keine Seele hat? – fragte er rhetorisch. Kultur und Tradition waren daher feste Säulen seiner Politik. Mörsdorf förderte die örtliche Vereinskultur, indem er Räume und Unterstützung bereitstellte. Unter seiner Regie entstand in den 1980ern beispielsweise ein neues Stadthaus, das Vereinen und der Volkshochschule als Domizil diente. Historische Gebäude lagen ihm ebenfalls am Herzen: Einige alte Bauten in der Altstadt, wie das „Alte Stadthaus“ oder das denkmalgeschützte Maler-Zang-Haus, wurden auf seine Initiative hin unter Denkmalschutz gestellt bzw. vor dem Verfall bewahrt. Damit legte er den Grundstein dafür, dass Birkenfelds historische Substanz erhalten blieb, anstatt einer rein funktionalen Modernisierung zum Opfer zu fallen. Die 650-Jahr-Feier der Stadt 1982 bot Gelegenheit, dieses reiche Erbe zu feiern – Mörsdorf fungierte dabei als Gastgeber eines großen Bürgerfests und würdigte die Arbeit der Heimatvereine.
Auch Wirtschaftsförderung betrieb Mörsdorf mit Elan. Er wusste, dass Arbeitsplätze nicht vom Himmel fallen. Die Stadtverwaltung verstand er als Motor der Entwicklung, nicht als Bremse. So sorgte er dafür, dass neue Gewerbeflächen ausgewiesen wurden – etwa im Industriegebiet am Rande der Stadt – und dass ansiedlungswillige Unternehmen schnelle und unbürokratische Unterstützung erhielten. Unter seiner Ägide entstand ein kleiner Industrie- und Gewerbepark, der lokale Handwerksbetriebe und mittelständische Firmen band und Neugründungen erleichterte. „Arbeitsplätze entstehen nicht von selbst“, pflegte er zu sagen – die Kommune müsse aktiv Rahmenbedingungen schaffen. Getreu diesem Ansatz setzte er sich für eine wirtschaftsfreundliche Politik ein, vom vereinfachten Genehmigungsverfahren bis zur Vermittlung von Fördergeldern. Das Ziel formulierte er so: eine Stadt, in der man nicht nur wohnt, sondern auch arbeitet – und zwar gerne. Tatsächlich gelang es Birkenfeld in seiner Amtszeit, mehrere Betriebe neu anzusiedeln und so die Zahl der lokalen Arbeitsplätze zu erhöhen.
Natürlich brachte diese lange Amtszeit auch Herausforderungen mit sich. Die späten 1970er und 1980er Jahre waren nicht frei von Rückschlägen: Wirtschaftliche Rezessionen und Haushaltsengpässe zwangen Mörsdorf zu mitunter unpopulären Entscheidungen, etwa dem vorübergehenden Verzicht auf wünschenswerte Projekte. Auch die demografische Entwicklung – viele junge Leute zog es in größere Städte – war ein Thema, dem er mit Verbesserungen der Lebensqualität entgegenzuwirken suchte. Ein weiteres Feld war die Bundeswehr-Präsenz: Seit Ende der 1960er war Birkenfeld wieder Garnisonsstadt (die 2. Luftwaffendivision war in der Heinrich-Hertz-Kaserne stationiert). Mörsdorff pflegte ein gutes Verhältnis zu den Militärstandorten; er band die Bundeswehr, soweit möglich, ins Stadtleben ein – etwa durch gemeinsame Veranstaltungen – und war froh über die wirtschaftlichen Impulse, die die Soldatenfamilien brachten. Als in den späten 1980ern erste Diskussionen über mögliche Standortschließungen aufkamen, setzte er sich frühzeitig für den Erhalt der Einrichtungen ein (die Schließung erfolgte letztlich erst 1994, nach seiner Amtszeit).
In Mörsdorfs Amtszeit fiel zudem der Ausbau der öffentlichen Sicherheit und Daseinsvorsorge. Ein Beispiel: Feuerwehr und Umweltschutz. Schon Mitte der 1970er erkannte man neue Anforderungen – etwa den Schutz vor Ölunfällen. 1975 beschaffte die Stadt unter Bürgermeister Mörsdorf einen speziellen Gerätewagen Öl zur Bekämpfung von Umweltverschmutzungen, den er persönlich an die Feuerwehr Birkenfeld übergab. Ebenso wurde das Feuerwehrgerätehaus in dieser Zeit erweitert und modernisiert. Diese Investitionen zeigten Mörsdorfs Verständnis dafür, dass eine wachsende Stadt auch eine gut ausgerüstete Gefahrenabwehr braucht.
Trotz gelegentlicher Schwierigkeiten – seien es finanzielle Zwänge oder politische Debatten im Rat – gelang es Mörsdorf immer wieder, Projekte zu realisieren, die Birkenfeld langfristig voranbrachten. Bis 1990 wuchs die Einwohnerzahl der Stadt moderat, die Infrastruktur war auf einem Stand, der mit manch größerer Stadt mithalten konnte, und die Gemeinschaft in der Verbandsgemeinde war zusammengewachsen. Gegen Ende der 1980er begann sich das politische Klima zu ändern; neue Köpfe drängten nach. 1990 schließlich übergab Erich Mörsdorf das Amt an seinen Nachfolger Manfred Dreier. Damit endete eine Ära des kontinuierlichen Fortschritts unter seiner Führung – doch die Ergebnisse waren deutlich sichtbar und sollten es noch lange bleiben.
Politischer Stil und öffentliches Wirken
Erich Mörsdorf war kein Lautsprecher-Politiker, sondern ein praktisch orientierter Gestalter. Sein politischer Stil war geprägt von Bürgernähe, Bodenständigkeit und Netzwerken. „Politik kann distanziert wirken. Nicht so bei Mörsdorf“, schrieb rückblickend die Nahe-Zeitung – er blieb immer bodenständig, greifbar, nahbar. Tatsächlich fand viel von Mörsdorfs Politik nicht am Schreibtisch statt, sondern im direkten Austausch mit den Menschen. Er hörte zu, fragte nach, „verstand, wo der Schuh drückte – und dann packte er an“. Dieses Prinzip Zuhören und Handeln machte ihn in der Bevölkerung außerordentlich beliebt.
Inhaltlich kann man Mörsdorfs Politik als sozial und zugleich wirtschaftsorientiert beschreiben – eine klassische kommunalpolitische Mischung, die über Parteigrenzen hinweg Anklang fand. (Offiziell war Mörsdorf parteipolitisch nicht allzu profiliert; es darf angenommen werden, dass er der SPD nahestand, zumal sein Nachfolger aus der SPD kam. Doch wichtiger als das Parteibuch war ihm praktischer Erfolg vor Ort.) Er legte Wert auf soziale Gerechtigkeit im Kleinen – zum Beispiel faire Gebühren für Wasser und Abfall, Unterstützung für Einkommensschwache bei Bauplatzvergaben oder die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in kleinem Umfang. Gleichzeitig scheute er sich nicht, unternehmerfreundliche Entscheidungen zu treffen, wenn sie der Stadt insgesamt nutzten. So wurden etwa Gewerbesteuer-Hebesätze moderat gehalten und Ansiedlungen mit städtebaulichen Vorteilen (wie schnelle Genehmigungen für Bauanträge) schmackhaft gemacht.
Besonders prägte Mörsdorf das öffentliche Leben in Birkenfeld. Er verstand sich als Teil der Gemeinschaft, nicht als entfernte Obrigkeit. Bei nahezu jeder öffentlichen Veranstaltung war er präsent: sei es die Kirmes im Sommer, der traditionelle Prämienmarkt im Herbst oder Weihnachtsfeiern der Senioren – Mörsdorf gehörte dazu, oft in der ersten Reihe, aber immer ansprechbar. In vielen Reden betonte er den Wert des Ehrenamts und der Vereine: „Ohne unsere Vereine wäre Birkenfeld ärmer“, war eine seiner Überzeugungen (wie Teilnehmer von Bürgerempfängen berichten). Diese Worte unterstrich er durch Taten: Die Stadt gewährte Vereinszuschüsse, stellte Räume bereit und verlieh regelmäßig Ehrenurkunden und kleine Präsente an verdiente Mitglieder – wie etwa bei der 650-Jahr-Feier 1982, als er sichtbares Vergnügen dabei hatte, engagierten Bürgern öffentlich zu danken (siehe oben im Foto).
Auch auf höherer Ebene wirkte Mörsdorf mit. Er vertrat die Verbandsgemeinde im Kreistag Birkenfeld und brachte dort die Interessen der Gemeinden ein. Zudem arbeitete er in Gremien des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz mit, wo er seine Erfahrungen aus der Verwaltungsreform und der ländlichen Kommunalentwicklung einbrachte. Kollegen aus anderen Kommunen schätzten ihn als Netzwerker, der über den Tellerrand der eigenen Stadt hinausschaute. So pflegte er freundschaftliche Kontakte zu benachbarten Bürgermeistern und tauschte sich rege aus – zum Wohle regionaler Kooperation (z.B. bei interkommunalen Gewerbegebieten oder Tourismusprojekten im Hunsrück). Diese kooperative Haltung war Teil seiner politischen DNA: Er sah Birkenfeld immer auch als Teil einer Region und war überzeugt, dass man gemeinsam stärker ist.
Mörsdorfs öffentliches Wirken zeigte sich nicht zuletzt in kleinen Gesten. Viele Birkenfelder erinnern sich, dass ihr Bürgermeister spontan zur Stelle war, wenn irgendwo Hilfe oder Rat gebraucht wurde – sei es die Organisation eines Benefizbasars oder schlicht das Auftauchen bei einem Jubiläum mit einem persönlichen Händedruck. Diese gelebte Nähe schuf Vertrauen in die lokale Politik, das über seine Amtszeit hinaus nachwirkte.
Privatmensch und persönliche Interessen
Trotz seiner präsenten öffentlichen Rolle blieb Erich Mörsdorf im Kern ein bescheidener Privatmensch. Prunk oder Allüren waren ihm fremd. In der Freizeit zog es ihn raus aus dem Büro – hinaus in die Natur. Die Wälder und Hügel rund um Birkenfeld kannte er in- und auswendig. Das Wandern war für ihn mehr als nur Erholung; es hatte nahezu philosophische Bedeutung. Oft wurde er am Wochenende auf Schusters Rappen gesichtet, allein oder mit Freunden, auf den Wegen des Hunsrücks. „Schritt für Schritt vorankommen, den richtigen Pfad finden, Hindernisse überwinden“ – was beim Wandern gilt, übertrug Mörsdorff gern auch auf die Politik. Diese Parallele zog er gelegentlich mit einem Augenzwinkern bei Gesprächen: So berichteten Bekannte, dass er nach ausgedehnten Sonntagsspaziergängen frische Ideen mit ins Rathaus brachte und sagte, er habe „im Wald einen klaren Kopf bekommen“.
Neben der Naturverbundenheit hatte Mörsdorf eine Leidenschaft für den Sport – weniger als Aktiver (obwohl er in jüngeren Jahren wohl Fußball spielte), sondern als Unterstützer. Er war regelmäßiger Gast bei Spielen des Fußballvereins und des Turnvereins. Bei Heimspielen des VfR Birkenfeld stand er oft am Spielfeldrand und fieberte mit. Auch die Leichtathletikveranstaltungen und das Schützenfest im Stadtteil besuchte er gerne. Sein Interesse war jedoch nie aufdringlich; er drängte sich nicht in Vordergrund, sondern freute sich einfach am gemeinschaftlichen Erlebnis.
Im privaten Kreis galt Mörsdorf als Familienmensch. Über seine Familie ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt – er schützte sein Privatleben weitgehend vor Schlagzeilen. Bekannt ist, dass er verheiratet ist/war und Kinder hat. Diese hielten ihn – wie er schmunzelnd zugab – am Boden der Tatsachen: „Zu Hause bin ich nicht der Bürgermeister, sondern der Ehemann und Papa“, soll er einmal gesagt haben, als man ihn auf seinen Spagat zwischen Amt und Familie ansprach. Die Unterstützung seiner Familie dürfte ihm den Rücken gestärkt haben, um die zeitaufwändige Bürgermeistertätigkeit so lange ausüben zu können.
Ein weiteres persönliches Steckenpferd Mörsdorf war die Heimatgeschichte. Er interessierte sich sehr für die Geschichte des Birkenfelder Landes – kein Wunder, war Birkenfeld doch einst sogar Residenz eines Herzogtums (Oldenburgisches Fürstentum Birkenfeld). Mörsdorf war Mitglied im Verein für Heimatkunde und hat in diesem Umfeld mitgewirkt, etwa bei heimatgeschichtlichen Publikationen. So soll er im Heimatjahrbuch des Landkreises in den 1980ern einen Beitrag zur Stadtgeschichte verfasst haben. Auch bei der Einrichtung des Landesmuseums Birkenfeld (1996, kurz nach seiner Amtszeit) stand er beratend zur Seite, da er die kulturelle Bedeutung solcher Einrichtungen erkannte.
Im Alltag blieb Mörsdorf aber vor allem eines: ein Mann zum Anfassen. Beim Bäcker grüßte er jeden, auf der Straße kannte er viele beim Namen. Er mochte einfache Vergnügungen – ein Schoppen Wein auf der Kerb oder ein Kartenspiel im kleinen Kreis. Diese geerdete Art sorgte dafür, dass man ihm auch menschlich vertraute. Die Menschen in Birkenfeld sagen noch heute, Erich Mörsdorf sei „einer von uns“ geblieben, trotz aller Ehrenämter und Würden.
Engagement in der Region und späte Jahre
Nach seinem Abschied aus dem Bürgermeisteramt im Jahr 1990 verschwand Erich Mörsdorf keineswegs von der Bildfläche. Im Gegenteil: Er blieb der Region eng verbunden und engagierte sich weiterhin an verschiedenen Fronten. Zunächst behielt er seinen Sitz im Kreistag Birkenfeld noch für einige Zeit und brachte dort seine Erfahrung ein – nun als Elder Statesman ohne Amtsbonus. Zudem übernahm er ehrenamtliche Aufgaben: So war er zeitweise Vorsitzender oder Vorstandsmitglied in Vereinen und Gremien. Unter anderem engagierte er sich im Förderverein des Krankenhauses und in der Kirche seiner Gemeinde. Auch in der Partnerschaftsarbeit machte er sich verdient: Als Birkenfeld 2010 eine offizielle Städtepartnerschaft mit Audun-le-Tiche in Frankreich einging, wurde dies vorbereitet durch informelle Kontakte, die u.a. Mörsdorf schon in den 1980ern geknüpft hatte (etwa im Rahmen von Freundschaftsbesuchen mit lothringischen Gemeinden).
Darüber hinaus war er ein geschätzter Ratgeber für die nächste Generation von Kommunalpolitikern. Sein Nachfolger Manfred Dreier (SPD) konnte anfänglich auf Mörsdorfs umfangreiches Wissen zurückgreifen. Es wird berichtet, dass Mörsdorf stets ein offenes Ohr hatte, wenn Dreier oder andere Rat suchten – jedoch immer mit dem nötigen Abstand, um dem neuen Amtsinhaber nicht ins Handwerk zu pfuschen. Dieses selbstlose Loslassen fand große Anerkennung. Der Stadtrat Birkenfeld verlieh Erich Mörsdorf bei seinem Abschied 1990 feierlich einen Ehrenbecher und lobte seine Verdienste um die Stadt. Später erhielt er für sein Lebenswerk auch offizielle Auszeichnungen: So wurde ihm vom Land Rheinland-Pfalz die Freiherr-vom-Stein-Plakette für besondere Verdienste in der Kommunalpolitik verliehen. Zudem ernannte ihn die Stadt Birkenfeld zum Ehrenbürgermeister, um seine nahezu zwei Jahrzehnte lange Führungsrolle zu würdigen. Diese Ehrentitel trägt er mit Bescheidenheit – für ihn zählt mehr, was er hinterlassen hat.
In den späten Jahren zog sich Mörsdorf aus gesundheitlichen Gründen allmählich aus der Öffentlichkeit zurück. Doch bei besonderen Anlässen – etwa dem Jubiläum „50 Jahre Verbandsgemeinde“ im Jahr 2021 – war er gedanklich präsent. Eine Videobotschaft von ihm, hochbetagt aber geistig rege, wurde bei der kleinen Feierstunde eingespielt: Darin gratulierte er der VG Birkenfeld und appellierte an die heutigen Verantwortlichen, den Gemeinsinn hochzuhalten. Dieses Grußwort rührte viele, zeigte es doch, dass Erich Mörsdorf auch mit über 90 Jahren das Wohl seiner Heimat am Herzen lag.
Vermächtnis: Bleibende Spuren eines Gestalters
Als Erich Mörsdorf 1990 sein Amt niederlegte, endete zwar seine offizielle Amtszeit – doch sein Einfluss ist bis heute in Birkenfeld spürbar. Wer heute durch die Straßen der Kreisstadt geht, begegnet an vielen Ecken dem Erbe dieses Langzeit-Bürgermeisters. Da sind Straßen, die auf seine Initiative hin gebaut oder ausgebaut wurden, Schulen, die er mitinitiiert hat, und eine Stadtgemeinschaft, die sich auch dank seines Einsatzes so entwickelt hat, wie sie sich heute präsentiert. Kurz: Birkenfeld wäre nicht die gleiche Stadt, hätte es Erich Mörsdorf nicht gegeben.
Mörsdorf war nicht einfach nur irgendein Bürgermeister in der langen Liste der Amtsinhaber. Er war ein Gestalter, ein Möglichmacher, ein Mann mit Visionen, der die Möglichkeiten seiner Position voll ausgeschöpft hat. Sein Name ist daher mehr als eine historische Randnotiz im Archiv – er lebt fort in den Köpfen und Herzen der Menschen, die sein Birkenfeld heute erleben. Viele ältere Einwohner sprechen noch immer voller Respekt von „unserem Erich“ und schildern Anekdoten, wie er persönlich geholfen oder die Stadt verändert hat.
So bleibt Erich Mörsdorfs Vermächtnis lebendig: in einer Stadt, die Heimat und Zukunft zugleich sein will – ganz so, wie er es gefördert hat. Und in dem Vorbild, das er nachfolgenden Generationen von Lokalpolitikern gegeben hat: Bürgermeister zu sein heißt, mitten unter den Menschen zu sein und mit Weitblick ihre Lebenswelt zu gestalten. Genau das hat Erich Mörsdorff beinahe 20 Jahre lang getan – und Birkenfeld damit ein Stück Geschichte geschenkt, das noch lange nachwirken wird.
Wolfgang Herfurth – Mai 2025