Ernst Heimfahrt – Geschichten & Erzählungen
Die Geschichte der Familie Warth – Messerschmiede, Landwirtschaft und ein Stück Kindheit
Wenn Erinnerungen an die Kindheit wach werden, dann sind es oft Menschen und Orte, die sich tief ins Gedächtnis eingeprägt haben. So ergeht es auch beim Rückblick auf die Familie Warth, die nicht nur für ihre Handwerkskunst bekannt war, sondern auch für ihre enge Verbindung zur Dorfgemeinschaft.
Die Wurzeln der Familie Warth
In der kleinen Stadt Birkenfeld war der Name „Messerschmied’s Ferd“ in aller Munde. Lange Zeit schien es fast, als sei „Messerschmied“ der Familienname – ein Irrtum, der erst später aufgeklärt wurde. Tatsächlich handelte es sich um Robert Ferdinand Warth, den Sohn von Ferdinand Warth senior und dessen Ehefrau Dorothea, geb. Schmittberger.
Ferdinand Warth senior war ein angesehener Waffenschmied und betrieb seine Werkstatt direkt neben dem Wohnhaus, das mit der Schuhmacherfamilie Weis geteilt wurde. Später ging das Haus in den Besitz des Drogisten Emil Steffen und dessen Bruder Robert über. Um 1900 lebten dort zudem der Tagelöhner Nikolaus Ludwig und der Schneider Christian Schmidt jr.
Opa Warth – Der Waffenschmied mit dem Dackel
Eine prägende Figur in der Familiengeschichte war der Großvater – ein Mann mit markantem, grauem Schnurrbart und seiner unverkennbaren „Pletschkapp“. Fast immer an seiner Seite: sein treuer Dackel „Struppi“. Viel mehr ist über ihn nicht bekannt, doch eine Anekdote bleibt unvergessen – über 80 Jahre alt, wagte er noch einen Flug in einem Segelflieger mit Dr. Wolfgang Fillmann.
Seine Frau Dorothea diente während des Krieges als Köchin bei den Flaksoldaten in der heutigen Oldenburg-Kaserne. Leider blieb sie den späteren Generationen nur als Name in der Familienchronik erhalten.
Robert Ferdinand Warth – Zwischen Handwerk und Landwirtschaft
Der Sohn des Waffenschmieds, Robert Ferdinand Warth (1905–1979), trat in die Fußstapfen seines Vaters. Nach einer Ausbildung im renommierten Waffengeschäft Kirsten in Bernkastel kehrte er zurück nach Birkenfeld und führte das elterliche Geschäft weiter. Hier wurden nicht nur Messer mit Griffen aus Hirschgeweih gefertigt, sondern auch Waffen und Munition verkauft.
Mit dem Ende des Krieges veränderte sich die Lage: Französische Besatzer waren in der Region stationiert, und so übernahm Warth die Wartung ihrer Waffen. Doch das Handwerk allein reichte bald nicht mehr aus – wie in vielen Handwerkerfamilien wurde eine kleine Landwirtschaft aufgebaut.
Die Landwirtschaft – Ein Leben mit Tieren und harter Arbeit
Neben dem Schmiedehandwerk prägte die Landwirtschaft den Alltag der Familie. Kühe, Schweine und sogar ein Pferd gehörten zum Besitz der Warths. Das Pferd war unersetzlich, um Wagen und Pflug zu ziehen, denn moderne Maschinen gab es damals noch nicht.
Für die Kinder im Ort war es eine Sensation, auf dem Wagen mitfahren zu dürfen – auch wenn es nur auf der verbotenen Stange am Ende des Wagens war. Besonders zur Erntezeit wurde jede helfende Hand gebraucht. Nachbarn kamen zusammen, um beim Pflanzen und Ernten zu helfen. Ihr Lohn: frische Naturalien.
Kindheitserinnerungen – Der Geschmack von frischer Milch und Kartoffelfeuer
Ein besonderes Ritual war der tägliche Gang zum Milchholen. Für 50 Pfennig pro Liter wurde frische Milch besorgt, die am nächsten Morgen sorgfältig abgeschöpft und abgekocht wurde. Doch für ein Kind war die Freude an der Milch schnell getrübt – denn die entstehende „Haut“ auf der Oberfläche war nicht jedermanns Geschmack.
Und dann waren da noch die Kartoffelfeuer – ein Highlight nach harter Arbeit auf den Feldern am Erzpfad, im Langental und auf dem Krausberg. Wenn die Glut das Essen zubereitete, wurde die Anstrengung des Tages schnell vergessen.
Ein Haus verfällt – Die Spuren der Zeit
Pauline und Ferdinand Warth hatten eine Tochter, Loni, die 1929 geboren wurde. Seit 1951 war sie mit dem Polier Günther Leonhardt verheiratet, der 1981 verstarb. Heute lebt Loni auf der anderen Straßenseite, während das einst lebendige Elternhaus leer steht und langsam verfällt.
Die Stadt Birkenfeld sucht mittlerweile einen Käufer für das Gebäude – doch für diejenigen, die die Geschichte dieses Hauses und seiner Bewohner kennen, ist längst klar, welchen Weg es gehen wird.
Ein Stück Geschichte, ein Einblick in eine vergangene Zeit – und eine Erinnerung an Menschen, die das Leben in Birkenfeld einst prägten.
Text: Ernst Heimfarth im Februar 2003