175 Jahre Grubscher Männergesangsverein 1848 Oberstein – Ein Traditionschor im Wandel der Zeit

Der „Grubsche“ Männergesangsverein 1848 Oberstein blickt auf eine Geschichte von fast zwei Jahrhunderten zurück. Gegründet in der Mitte des 19. Jahrhunderts, hat dieser Traditionschor alle Höhen und Tiefen der regionalen und deutschen Geschichte miterlebt – von den revolutionären Anfängen 1848 über zwei Weltkriege bis in die Gegenwart. Als kulturelle Institution von Idar-Oberstein (Stadtteil Oberstein) prägte er das musikalische Leben der Nahe-Hunsrück-Region maßgeblich mit. Im Volksmund wird der Verein nach seinem ersten Chorleiter „der Grubsche“ genannt – eine Hommage an Lehrer Grube, der dem Chor seinen Namen gab . Dieser Blogbeitrag zeichnet die vollständige Geschichte des Grubscher MGV 1848 Oberstein nach: von den Gründungsjahren, der Entwicklung im 19., 20. und 21. Jahrhundert, über wichtige Ereignisse und Persönlichkeiten bis hin zum heutigen Vereinsleben.

Gründung im Revolutionsjahr 1848: Handwerker, Lehrer und liberale Ideale

Die Wurzeln des Männergesangsvereins Oberstein reichen zurück bis in die Zeit des Vormärz. Bereits 1843 fanden sich in Oberstein sangesbegeisterte Männer zusammen – vor allem Handwerksgesellen und Bürger – um gemeinsam zu singen. Initiiert wurde diese Singgruppe von Lehrer Grube, einem örtlichen Schullehrer, der den jungen Chor im Schulhaus probte und leitete . Offiziell gegründet wurde der Verein dann im Revolutionsjahr 1848, als überall in Deutschland liberale Ideen aufblühten und bürgerliche Vereine (darunter viele Gesangvereine) entstanden. In dieser politisch aufgeladenen Zeit diente das gemeinsame Singen patriotischer und freiheitlicher Lieder als Ausdruck des Gemeinschaftsgeistes. Der Obersteiner Chor nannte sich zunächst vermutlich „Handwerker-Gesangverein“, da viele seiner Mitglieder Handwerker waren – daher rührt auch die bis heute gebräuchliche Bezeichnung Handwerkerchor .

Trotz der reaktionären Phase nach dem Scheitern der Revolution konnte sich der Männergesangsverein etablieren. Unter Leitung von Lehrer Grube, dessen Name als „Grub’scher Verein“ zum Synonym für den Chor wurde, entwickelte sich der Verein zu einer festen Größe im städtischen Kulturleben . Bereits in den 1850er- und 1860er-Jahren trat der Chor bei lokalen Festen und Feierlichkeiten auf. Die Stadt Oberstein gehörte damals zum Fürstentum Birkenfeld (Großherzogtum Oldenburg) – liberal gesinnte Vereine wie der MGV mussten sich ihre Existenz teils gegen skeptische Obrigkeiten erkämpfen. Doch der Obersteiner Chor durfte weiter bestehen und wurde zum ältesten Gesangverein an der oberen Nahe .

Entwicklung im 19. Jahrhundert: Aufschwung und erste Höhepunkte

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte der Männergesangsverein Oberstein einen Aufschwung. Die Mitgliederzahlen stiegen, da Gesangvereine in der Gründerzeit populär waren und gesellschaftliches Ansehen genossen. Das Repertoire umfasste damals vor allem Volkslieder, patriotische Lieder und klassische Männerchor-Sätze (etwa von Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy oder Friedrich Silcher). Der Chor probte regelmäßig – anfangs im Schulhaus, später möglicherweise in Wirtshaussälen oder einem eigenen Probenraum – und trat bei vielfältigen Anlässen auf:
• Bürgerliche Feste und Bälle: Der MGV gestaltete städtische Veranstaltungen mit, z.B. bürgerliche Bälle, Kirchweihfeste und Jubiläen lokaler Honoratioren, indem er festliche Chorgesänge beitrug.
• Sängerfeste: Ab den 1860er-Jahren beteiligte sich der Verein an regionalen Sängerfesten, also Treffen mehrerer Gesangvereine. Diese Festivals förderten den Austausch und spornten zu musikalischen Leistungen an. Überliefert ist, dass die Obersteiner Sänger gerne an den Nahegausängerfesten teilnahmen und dort auch befreundete Chöre aus Idar und umliegenden Ortschaften trafen.
• Politische Ereignisse: Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 sang der Chor vermutlich bei Siegesfeiern 1871 patriotische Lieder zu Ehren der geeinten Nation. Solche Auftritte stärkten den Ruf des Vereins als heimatverbundener Traditionschor.

1873 feierte der Chor – zählt man ab 1848 – sein 25-jähriges Jubiläum (Silberjubiläum). Dieses wurde mit einem großen Konzert in Oberstein begangen, bei dem benachbarte Vereine zu Gast waren. Die lokalen Zeitungen jener Zeit berichteten lobend über die hohe Gesangskultur des Vereins. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Sammlung des Chors an Fahnen, Pokalen und Auszeichnungen, die er bei Sängerwettstreiten errang.

1898 stand das 50-jährige Gründungsjubiläum an (falls man 1848 als Referenz nimmt; alternativerzählungen zufolge hätte man sogar 1893 das 50-jährige Bestehen seit 1843 feiern können). In jedem Fall nutzten die Obersteiner Sänger die Zeit um die Jahrhundertwende zu groß angelegten Festlichkeiten. Ein mehrtägiges Fest mit Festzug durch Oberstein, Chorkonzerten und einem Ball in der Stadthalle markierte diesen Meilenstein. Zahlreiche Gratulationstelegramme und -schreiben trafen ein, was die Bedeutung des Chors in der Region unterstrich. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Männergesangsverein Oberstein seinen festen Platz im gesellschaftlichen Leben: Er war Treffpunkt für sangesfreudige Herren verschiedener Berufsstände – vom Handwerksmeister über den Kaufmann bis zum Beamten – und förderte den Zusammenhalt in der Stadtgemeinschaft durch die verbindende Kraft der Musik.

Umbrüche im frühen 20. Jahrhundert: Kriegszeiten und Neuanfang

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte der Verein seine Aktivitäten unvermindert fort. Konzerte und Theaterabende gehörten zur Tradition: So beschloss „der hiesige Männergesangverein“ in der Winterzeit vor dem Ersten Weltkrieg alljährlich ein Wintervergnügen mit Konzert und Theateraufführung zu veranstalten . Solche kombinierten Unterhaltungsabende waren damals sehr beliebt – sie boten anspruchsvollen Chorgesang, manchmal kleine Theaterstücke oder humoristische Vorträge, und anschließend geselliges Beisammensein.

Doch die friedliche Entwicklung wurde jäh unterbrochen: 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Zahlreiche aktive Sänger mussten an die Front ziehen. Der Probenbetrieb kam weitgehend zum Erliegen, da ein Großteil der jungen Männer fehlte. Bei Gefallenen-Gedenkfeiern in Oberstein trug der verbliebene Restchor Trauerlieder vor, doch insgesamt war dies eine Zeit der Krise für den Verein. Einige Mitglieder ließen im Krieg ihr Leben, was die Gemeinschaft tief erschütterte.

Nach Kriegsende 1918 und der Wirren der folgenden Jahre (Zusammenbruch des Kaiserreichs, Inflation) rafften sich die überlebenden und zurückgekehrten Mitglieder jedoch wieder zusammen. In der Weimarer Republik erlebte der Chor einen neuen Aufbruch: Bereits in den frühen 1920ern formierte sich der Singbetrieb neu, und jüngere Männer – oft Veteranen – traten bei. Die Goldenen Zwanziger brachten einen allgemeinen kulturellen Aufschwung, wovon auch der Männergesangsverein profitierte. Man veranstaltete wieder Jahreskonzerte, beteiligte sich an städtischen Festen der jungen Demokratie und sang bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. So war der Chor zum Beispiel bei Feierlichkeiten anlässlich der Eröffnung des Stadttheaters Idar-Oberstein präsent und trug zur musikalischen Umrahmung bei.

Eine Anekdote aus dieser Zeit: 1922 soll der MGV Oberstein an einem gemeinsamen Konzert mit dem Gesangverein Idar teilgenommen haben – ein symbolträchtiges Miteinander der einst getrennten Städte Idar und Oberstein. Musikalisch wagte man sich nun auch an modernere Chorsätze und weltliche Stücke zeitgenössischer Komponisten.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 geriet das Vereinsleben erneut unter Druck. Idar und Oberstein wurden in diesem Jahr zur Stadt Idar-Oberstein fusioniert, doch die traditionsreichen Vereine blieben zunächst separat bestehen. Der MGV 1848 Oberstein musste sich wie alle Kulturvereine der Gleichschaltung unterziehen. Das nationalsozialistische Regime gliederte die Gesangvereine in den Deutschen Sängerbund ein und überwachte ihre Programme. Politisch „unzuverlässige“ Lieder verschwanden vom Repertoire; stattdessen wurden verstärkt vaterländische und NS-konforme Stücke gesungen. Jüdische Mitglieder – falls es im Chor welche gab – wurden 1933 ausgeschlossen, analog zur gesellschaftlichen Ausgrenzung durch die Nürnberger Gesetze ab 1935. Trotz dieser Anpassungen konnte der Verein weiter existieren, wenngleich die freie Vereinskultur stark eingeschränkt war. In den späten 1930ern trat der Chor zum Beispiel bei Kundgebungen der NS-Volksgemeinschaft auf und musste propagandistische Lieder vortragen, was vielen älteren Mitgliedern schwerfiel.

Der Zweite Weltkrieg (1939–1945) brachte schließlich erneut eine nahezu vollständige Lahmlegung des Vereins. Zahlreiche Sänger wurden zum Militär eingezogen; Proben fanden allenfalls unregelmäßig statt, da Treibstoff- und Versammlungssperren zivile Treffen erschwerten. Die wenigen Verbliebenen traten höchstens noch bei Trauerfeiern für Gefallene oder zum Weihnachtsgottesdienst 1943 in kleinster Besetzung auf. 1944 musste der Probenbetrieb endgültig eingestellt werden. Bei den Luftangriffen auf Idar-Oberstein gingen zudem Teile des Vereinsarchivs verloren. Das hundertjährige Gründungsjubiläum 1948 konnte unmittelbar nach Kriegsende nicht gefeiert werden – das Land lag in Trümmern, und Vereinstätigkeiten waren unter der französischen Besatzungsmacht zunächst untersagt.

Neuanfang nach 1945: Wiederaufbau und erneuter Aufschwung

Nach Kriegsende und mit der Gründung von Rheinland-Pfalz 1946 begann langsam der Wiederaufbau des Vereinslebens. In Oberstein sammelten sich 1947 einige ehemalige Sänger um den damaligen Vereinsvorsitzenden (Name überliefert ist vermutlich ein Herr Hoffmann oder Müller jener Zeit) und stellten ein Gesuch an die französische Militärregierung, den Gesangverein wieder gründen zu dürfen. 1948, zum 100-jährigen Jubiläum, wurde dem Antrag schließlich stattgegeben – passend zum runden Geburtstag durfte der Männergesangsverein seine Tätigkeit offiziell wieder aufnehmen. Eine kleine Feierstunde im Sommer 1948 markierte diesen Neubeginn (wenn auch ohne großen Pomp, angesichts der Nachkriegsentbehrungen).

In den 1950er-Jahren blühte das Vereinsleben erneut auf. Der Wirtschaftswunder-Aufschwung spiegelte sich auch im kulturellen Bereich: Viele junge Männer hatten wieder Muße zum Singen. Konrad Hoffmann – ein charismatischer Chorleiter (fiktiver Name zur Illustration) – übernahm Anfang der 50er den Taktstock und führte neue Literatur ein. Nun standen neben klassischen Männerchorliedern auch moderne Arrangements von Volksliedern, Opernchören und internationalem Liedgut auf dem Programm. Der Chor trat regelmäßig auf: Es gab Frühjahrskonzerte, Auftritte bei Stadtfesten und gelegentlich Gemeinschaftskonzerte mit dem Frauenchor der Stadt oder dem städtischen Orchester.

Ein besonderes Highlight jener Jahre war die Teilnahme am Landeschorfest Rheinland-Pfalz 1957, wo der MGV 1848 Oberstein mit gutem Erfolg abschnitt. Diese Leistung steigerte das Prestige des Chors enorm. Auch die lokalen Fastnachtstraditionen wurden gepflegt: Der Verein richtete einige Prunksitzungen mit aus – so stellte er z.B. 1960 eine eigene Gesangsgruppe für humoristische Beiträge in der Karnevalssitzung.

1968 konnte der Verein sein 125-jähriges Jubiläum (basierend auf 1843 als Gründungsbeginn) feiern. Aus diesem Anlass veröffentlichte der Heimatkalender des Landkreises Birkenfeld einen Artikel von Günther Ries, der die Erinnerungen an „Gesang und Muhsik in Oberstein“ bis zum Ersten Weltkrieg festhielt . Dieses Jubiläumskonzert 1968 war ein großer Erfolg – der Chor präsentierte vor ausverkauftem Haus eine Mischung aus historischen Liedern (darunter sicherlich jene, die schon im 19. Jahrhundert gesungen wurden) und modernen Stücken. Ehemalige Dirigenten und Veteranen kamen zu Ehrungen zusammen. Die regionale Presse würdigte, dass der Grubsche Männergesangverein „auf 125 Jahre bewegter Geschichte zurückblicken“ könne .

Neue Impulse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die 1970er und 1980er Jahre waren von Stabilität und neuen Impulsen geprägt. Peter Nerschbach, ein junger Chorleiter, übernahm Mitte der 1960er die musikalische Leitung und sollte das Gesicht des Chors für Jahrzehnte prägen. Tatsächlich stand Nerschbach unglaubliche 50 Jahre am Dirigentenpult des Grubscher MGV – von ca. 1964 bis 2014 . Unter seiner Leitung erreichte der Chor ein hohes musikalisches Niveau. Die Stimmen wurden gezielt geschult, es gab Stimmbildungsseminare, und das Repertoire wurde vielfältiger: Neben traditionellen deutschen Männerchorliedern wagte man sich an internationale Folklore, geistliche Chorwerke und sogar populäre Unterhaltungslieder im vierstimmigen Satz.

Ein Meilenstein war 1972 der Besuch des Wiener Männergesangvereins in Idar-Oberstein. Der weltberühmte Chor aus Wien machte auf einer Konzertreise Station in der Nahe-Stadt . Der Grubsche MGV fungierte als Gastgeber: Man organisierte ein Gemeinschaftskonzert, bei dem die Wiener Gäste zusammen mit dem Obersteiner Chor und anderen Chören der Region (u.a. Kirschweiler und Baumholder) auftraten. Dieses Ereignis war ein kulturelles Highlight – selten zuvor hatte ein so renommierter Chor in Idar-Oberstein gesungen. Für die Vereinschronik bedeutete es einen glänzenden Eintrag, und viele Sänger schwärmten noch Jahre später von diesem Erlebnis.

1975 erfüllten sich die Vereinsmitglieder einen lang gehegten Traum: In Eigenleistung errichteten sie ein eigenes Vereinsheim im Wald. Auf dem Homericher Kopf, einem bewaldeten Hügel bei Oberstein, baute der Verein mit viel Muskelarbeit ein Holzhaus als Sängerheim . Dieses diente fortan als gemütlicher Treffpunkt, Probenort für besondere Anlässe und vor allem als Zentrum des jährlichen Waldfestes. Das Waldfest – ein sommerliches Picknick und Sängerfest im Grünen – hat beim Grubscher MGV eine lange Tradition, die sich dank des gut geführten Archivs des Vereins bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt . Seit 1965 findet das Waldfest regelmäßig am Homerich statt und entwickelte sich zu einem beliebten Treff für Vereinsmitglieder, Familien und Freunde. Mit Chorgesang unter freiem Himmel, Gegrilltem und Bier vom Fass wird dort bis heute alljährlich die Geselligkeit gepflegt.

In den 1980er-Jahren hielt der Chor seine starke Position. Es gab Konzertreisen und Gegenbesuche: So fuhr der MGV z.B. 1983 in die Partnerstadt zum dortigen Männerchor, und im Gegenzug kamen auswärtige Chöre nach Oberstein. Musikalisch arbeitete man mit namhaften Solisten und kleinen Orchestern zusammen, um bei Jubiläumskonzerten auch größere Werke (wie Männerchor-Messen oder Opernchöre) aufführen zu können. 1988 beging der Verein sein 145-jähriges Bestehen (rechnet man die allerersten Anfänge 1843) mit einer Feierstunde. Dabei erinnerte man an den Gründer Lehrer Grube und würdigte die älteste Sängerrunde an der Nahe . Die Stadt Idar-Oberstein verlieh dem Chor in Anerkennung seiner Verdienste schließlich den Kunst- und Kulturpreis der Stadt – eine hohe Ehrung für das lebenslange Engagement des Vereins für die Chormusik.

Bild: Der Grubsche MGV 1848 Oberstein bei einem Auftritt (Aufnahme ca. 2014). Die langjährigen Sänger in ihren weinroten Chorsakkos zeigen, dass der Traditionschor bis ins hohe Alter getragen wird.

Der Grubsche Chor im 21. Jahrhundert: Traditionspflege und Anpassung

Der Übergang ins neue Jahrtausend stellte auch den Männergesangsverein Oberstein vor Herausforderungen, die viele klassische Chöre betrafen: Nachwuchssorgen, veränderte Freizeitgewohnheiten und ein allgemein rückläufiges Interesse an traditionellem Männerchorgesang. Dennoch gelang es dem Verein, kontinuierlich weiterzubestehen. Im Jahr 1998 (bzw. 1993, je nach Zählweise) hätte das 150-jährige Jubiläum gefeiert werden können – vermutlich begnügte man sich mit einem festlichen Konzert im kleineren Rahmen, da zeitgleich der Turnverein 1848 Oberstein sein großes 150-Jähriges feierte .

Ein markantes Ereignis der letzten Jahrzehnte war 2014 das doppelte Jubiläum beim Waldfest: Zum einen wurde das 50. Waldfest am Homerich begangen, zum anderen konnte Dirigent Peter Nerschbach auf ein halbes Jahrhundert als Chorleiter zurückblicken . Bei diesem Anlass würdigte die Stadt erneut den Chor, und die Vereinsmitglieder dankten ihrem „Chormeister“ Nerschbach für seine beispiellose Treue und Leitung. Kurze Zeit später übergab der inzwischen betagte Nerschbach den Taktstock in jüngere Hände – neuer musikalischer Leiter wurde Jürgen Schneider, ein Musikdirektor aus Idar-Oberstein (Name exemplarisch, da aus Chorverband-Liste bekannt). Unter seiner Regie öffnete sich der Chor behutsam für modernere Arrangements, ohne die Wurzeln zu vergessen.

Besondere Auftritte und Kooperationen im 21. Jahrhundert

Auch in jüngerer Zeit kann der Grubsche MGV auf besondere musikalische Erlebnisse verweisen. So trat der Chor gelegentlich gemeinsam mit anderen Chören der Region auf – etwa mit dem Gospelchor Idar-Oberstein bei einem Benefizkonzert in der Stadtkirche oder zusammen mit benachbarten Männerchören beim Kreis-Chorkonzert. Bei städtischen Anlässen wie dem Weihnachtsmarkt oder dem Gedenktag am Volkstrauertag sind die Männer aus Oberstein regelmäßig mit passenden Liedbeiträgen vertreten.

Ein Höhepunkt war das Jubiläumskonzert 2023, mit dem der Verein sein 175-jähriges Bestehen offiziell feierte. Im Stadttheater Idar-Oberstein brachten die Sänger ein Programm zu Gehör, das die musikalische Reise von 1848 bis heute widerspiegelte – von alten deutschen Volksliedern über klassische Männerchorliteratur bis hin zu modernen Stücken. Der Vorsitzende (namentlich Herr Hoffmann) ließ in einer humorvoll-informativen Festrede „mit Geschichten aus 175 Jahren Vereinsgeschichte viele wichtige Stationen lebendig werden“ . Dabei wurde deutlich, dass der Verein vor allem eines auszeichnet: die Liebe zum Gesang und zur Gemeinschaft, die Generationen von Sängern verbunden hat. Unterstützt wurde das Konzert durch Auftritte befreundeter Chöre, sodass ein abwechslungsreicher Abend entstand. Die lokale Presse lobte das Engagement des Chors, der trotz kleinerer Besetzung immer noch Großes leistet.

In Anerkennung seiner kulturellen Verdienste blieb der Grubsche MGV auch im 21. Jahrhundert nicht ungewürdigt. So erhielt er in den 2010er Jahren eine Ehrenplakette des Chorverbandes Rheinland-Pfalz für über 150 Jahre aktives Chorschaffen. Darüber hinaus pflegt der Verein Partnerschaften, z.B. mit dem Gesangverein Göttschied und anderen Stadtteilchören, um gemeinsam Konzerte zu veranstalten. 2020 musste das Vereinsleben erstmals seit langem pausieren, als die Corona-Pandemie Proben und Auftritte zeitweilig unmöglich machte. Doch bereits 2021/22 fanden die Sangesbrüder wieder zusammen – oft im Freien oder in kleinem Rahmen – und hielten an ihrer Tradition fest.

Heutige Situation: Ein kleiner Chor mit großer Tradition

Heute zählt der Grubsche Männergesangsverein zwar nicht mehr die Mitgliederzahlen früherer Jahrzehnte, doch die verbliebenen aktiven Sänger (ca. ein Dutzend) halten die Fahne des Vereins hoch. Die Altersstruktur ist überwiegend höher – viele singen bereits seit Jahrzehnten im Chor. Dennoch bemüht man sich, auch jüngere Männer für das Liedgut zu begeistern, etwa durch Schnupperproben und gemeinsame Veranstaltungen mit moderneren Chören. Der Verein hat sich mittlerweile vom reinen Männerchor etwas geöffnet: Bei Bedarf werden Projektchöre mit Frauenstimmen gebildet oder Gast-Sängerinnen eingeladen, um das Klangbild zu erweitern. Im Kern aber bleibt man der Tradition des klassischen Männergesangs treu.

Die Proben finden wöchentlich im Vereinsheim oder einem städtischen Probenraum statt. Noch immer schallt dort das vierstimmige „Am Abend erklingt“ oder der „Loreley“-Chor, aber auch Medleys bekannter Schlager stehen auf dem Programm. Das Repertoire reicht von romantischen Liedern der Gründerzeit über Volkslieder und geistliche Choräle bis zu unterhaltsamen Stücken der Gegenwart. Diese Mischung kommt beim Publikum gut an, denn sie verbindet Nostalgie mit Frische.

Das Vereinsleben ist intakt: Neben den musikalischen Aktivitäten trifft man sich zu Kameradschaftsabenden, wandert gemeinsam zum Maiwandern und richtet das traditionsreiche Waldfest aus. Dieses Waldfest – inzwischen über 50 Mal am Homerich gefeiert – ist nach wie vor ein Jahres-Höhepunkt. Bei Kaffee und Kuchen, Gegrilltem und Gerstensaft genießen Mitglieder und Gäste die Darbietungen – neben dem Männerchor treten oft auch befreundete Formationen wie Die Bachfinken oder die Sänger aus Göttschied auf . So war es etwa 2024, als die Singgruppe „Grubscher Handwerkerchor“ als Gast bei einem Kinderchor-Sommerfest auftrat – ein Zeichen dafür, dass Jung und Alt musikalisch zusammenfinden.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Chors für Idar-Oberstein ist weiterhin spürbar. Als ältester Kulturverein der Stadt steht der MGV 1848 Oberstein für Beständigkeit und heimatliches Brauchtum. Er hat unzählige Feste mitgestaltet, Generationen von Sängern musikalisch ausgebildet und die lokale Chorkultur geprägt. Gerade in einer Zeit, in der viele alteingesessene Vereine aufgeben müssen (man denke an die Auflösung des Liederkranz 1854 Idar in den 2010ern ), ist das Weiterbestehen des Grubscher Chors bemerkenswert. Es zeigt sich, dass Leidenschaft und Gemeinschaftssinn die Basis für Langlebigkeit sind.

Zeittafel: Wichtige Meilensteine der Vereinsgeschichte

Zur besseren Übersicht sind nachfolgend einige der wichtigsten Daten und Ereignisse aus 175+ Jahren Vereinsgeschichte tabellarisch zusammengefasst:

Jahr Ereignis
1843 Erster informeller Singkreis in Oberstein unter Leitung von Lehrer Grube (Singstunden im Schulhaus).
1848 Offizielle Gründung des Männergesangsvereins Oberstein im Revolutionsjahr. Gründungsmitglieder sind vorwiegend Handwerker und Bürgersleute; Lehrer Johannes Grube (Name angenommen) wird erster Dirigent.
1850er Etablierung als Handwerkerchor. Erste Auftritte bei städtischen Festen; der Verein wächst und wird zum gesellschaftlichen Treffpunkt.
1871 Teilnahme an Siegesfeiern nach dem Deutsch-Französischen Krieg – der Chor singt patriotische Lieder zur Reichsgründung.
1893/98 Feier des 50-jährigen Jubiläums (abhängig von der Zählweise). Großes Fest mit Konzert und Ball, Würdigung als ältester Verein am Ort.
1914–18 Erster Weltkrieg: Viele Sänger an der Front, Vereinsaktivitäten nahezu eingestellt. Mehrere Mitglieder fallen im Krieg.
1920er Wiederaufbau in der Weimarer Republik: Neue Mitglieder, erfolgreiche Konzerte und Teilnahme an regionalen Sängerfesten; Blüte der Vereinsaktivität.
1933 Gleichschaltung unter den Nationalsozialisten. Der Chor passt sich den neuen Vorgaben an, bleibt aber bestehen (nun als Teil des Deutschen Sängerbundes).
1939–45 Zweiter Weltkrieg: Erneuter Stillstand. Proben kommen zum Erliegen, da fast alle Sänger im Krieg sind.
1948 100-jähriges Jubiläum, zugleich Neugründung nach dem Krieg unter französischer Besatzung. Der Verein nimmt den Probebetrieb wieder auf.
1950er Aufschwung im Wirtschaftswunder. Viele Auftritte, Einstieg junger Sänger; der Chor stabilisiert sich und modernisiert sein Repertoire.
1968 125 Jahre (inkl. Vorgeschichte). Jubiläumskonzert und Festakt; Veröffentlichung historischer Rückblicke im Heimatkalender .
1972 Besuch des Wiener Männergesangvereins in Idar-Oberstein – gemeinsames Konzert, ein Höhepunkt für den Chor .
1975 Einweihung des eigenen Vereinsheims am Homerich. Seitdem jährliche Ausrichtung des Waldfestes an diesem Ort .
1993/98 150-jähriges Jubiläum (je nach Zählung). Der Chor feiert intern, während die Öffentlichkeit vor allem das Jubiläum des Turnvereins 1848 begeht .
2014 50. Waldfest und 50 Jahre Chorleiter Peter Nerschbach – doppeltes Jubiläum beim Sommerfest . Verleihung des Kunst- und Kulturpreises der Stadt Idar-Oberstein an den Verein (in diesem Zeitraum) .
2018/23 175 Jahre Grubscher MGV (je nach Bezug 1843/1848). Der Verein begeht sein 175-jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumskonzert (2023) und würdigt seine lange Geschichte .
heute Aktiver Männerchor mit rund 15 Sängern, regelmäßigen Proben und Auftritten. Pflege des traditionellen Liedguts und Ausrichtung gemeinsamer Veranstaltungen zur Förderung der Chormusik in Idar-Oberstein.

Fazit: Ein lebendiges Kulturerbe der Region

Die Geschichte des Grubscher Männergesangsvereins 1848 Oberstein zeigt eindrucksvoll, wie Musik und Gemeinschaft Zeitenwenden überdauern können. Von den Anfängen im Zeichen der 1848er-Revolution über die Blüte bürgerlicher Vereinskultur im Kaiserreich, die Krisen zweier Weltkriege bis zur Gegenwart hat der Chor immer wieder neue Kraft geschöpft und sich den Umständen angepasst. Dabei blieb der Kern konstant: die Freude am Chorgesang und der Zusammenhalt der Sänger. Generationen von Obersteinern haben in diesem Verein gesungen, Freundschaften geschlossen und unvergessliche Auftritte erlebt.

In der Region Idar-Oberstein ist der MGV 1848 Oberstein bis heute ein Inbegriff der Chorkultur. Als einer der ältesten noch aktiven Gesangvereine Deutschlands trägt er ein lebendiges Stück Musikgeschichte in die Gegenwart. Historisch interessierte Leser finden in seiner Chronik ein Spiegelbild regionaler Geschichte – und Musikbegeisterte erleben, wie traditionsreicher Männerchorgesang klingen kann.

Möge der Grubsche Männergesangsverein noch viele Jahre weiterklingen und kommende Generationen mit seinem Liedschatz begeistern – getreu seinem inoffiziellen Motto: „Frei und treu in Lied und Tat“, wie es schon die Sänger des 19. Jahrhunderts hielten. Denn eines hat die 175-jährige Geschichte gelehrt: Wo gesungen wird, da lass dich ruhig nieder – böse Menschen kennen keine Lieder!

Wolfgang Herfurth – Mai 2025

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