Schicksale jüdischer Familien aus Birkenfeld und Hoppstädten-Weiersbach (NS-Zeit)

Familie Senator (Birkenfeld)

Die Familie Senator lebte in Birkenfeld (Nahe) und bestand aus Vater Max Senator (*1889), seiner Frau Lydia (geb. Loeb) (*1889) sowie den Kindern Arthur (*1919), Gerda (*1920) und Doris (*1930). Max Senator war Kaufmann; die Familie gehörte zur jüdischen Gemeinde Birkenfelds. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh die Familie bereits 1933 aus Deutschland – vermutlich in der Hoffnung, in Polen Sicherheit zu finden. Sie ließ sich in Łódź nieder. Doch nach dem deutschen Überfall auf Polen 1939 geriet die Familie im Ghetto Łódź in die Falle.

Dort verschlechterten sich die Lebensbedingungen drastisch. Vater Max verstarb bereits am 9. Mai 1942 im Ghetto – vermutlich an den Folgen von Hunger und Krankheit. Die jüngste Tochter Doris (12 Jahre alt) und Mutter Lydia blieben bis zur Auflösung des Ghettos 1944 am Leben. Im Juni 1944 wurden Lydia (55) und Doris (14) in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert und dort ermordet. Sohn Arthur hatte das Ghetto offenbar zuvor verlassen müssen; sein genaues Schicksal ist unbekannt. Die Tochter Gerda überlebte den Holocaust – sie konnte mit Hilfe polnischer Helfer der Vernichtung entgehen. Gerda emigrierte nach Kriegsende und verbrachte ihr weiteres Leben im Ausland.

Heute erinnert eine Gruppe von Stolpersteinen in Birkenfeld an die Familie Senator. Im September 2022 wurden fünf Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus in der Achtstraße 9 verlegt. Die tragische Geschichte dieser Familie – Flucht ins Ausland, dennoch Opfer der Shoa – steht beispielhaft für viele jüdische Familien aus Deutschland, die vergeblich versuchten, sich in den 1930er-Jahren in Sicherheit zu bringen.

Ida und Rosa Schiffmann (Birkenfeld)

Die Schwestern Ida Schiffmann (*1878) und Rosa Schiffmann (*1877) waren zwei der letzten jüdischen Einwohnerinnen Birkenfelds. Ida und Rosa – unverheiratet und schon ältere Damen – lebten gemeinsam in Birkenfeld, nachdem viele jüdische Bürger emigriert oder weggezogen waren. In der NS-Zeit wurden sie schrittweise entrechtet und isoliert: Ihr soziales Umfeld zerfiel, sie mussten Zwangsabgaben leisten und durften ihren Berufen nicht mehr nachgehen.

1942 erfolgte die Deportation der Schwestern. Gemeinsam mit anderen verbliebenen Juden der Region wurden Ida (64 Jahre alt) und Rosa (65) im Juli 1942 verschleppt – zunächst in das Ghetto Theresienstadt. Rosa Schiffmann überlebte diese Tortur nicht: Sie starb bereits während des Transports, vermutlich aufgrund der katastrophalen Bedingungen. Ida Schiffmann gelangte nach Theresienstadt; ihr weiteres Schicksal ist nicht genau dokumentiert. Sie wurde später als ermordet erklärt.

Zum Gedenken an Ida und Rosa Schiffmann wurden in Birkenfeld zwei Stolpersteine vor ihrem letzten Wohnhaus in der Bahnhofstraße 7 verlegt. Die Verlegung fand am 11. Mai 2017 statt. Ihr Andenken wird zudem im Bundesarchiv-Gedenkbuch bewahrt. Die Geschichte der Schwestern Schiffmann verdeutlicht, wie selbst hochbetagte Menschen dem Vernichtungswahn der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

Familie Stern (Hoppstädten-Weiersbach)

Die Familie Stern aus Hoppstädten war eine alteingesessene jüdische Familie. Sigmund Stern (*1883) betrieb als Kaufmann ein Geschäft im Ort; er war mit Sophie Stern (geb. Weil) (*1886) verheiratet. Das Ehepaar wohnte in der Straße Hohlengraben 4 und hatte mehrere Kinder: die Söhne Julius (*1912) und Arnold (*1921) sowie die Töchter Liselotte (*1923) und Margit (*1924). (Gerda Stern, geb. Harris, *1909, lebte ebenfalls zeitweise im Haushalt und emigrierte 1935 nach Palästina.) Die Sterns waren im sozialen Leben integriert und angesehen.

Mit der NS-Herrschaft 1933 änderte sich ihr Leben dramatisch. Die Geschäfte der Familie wurden boykottiert und die Kinder in der Schule schikaniert. Arnold und Julius gelang 1938 die Flucht nach Palästina. Tochter Margit folgte 1940, starb jedoch beim Untergang des Flüchtlingsschiffes Patria vor Haifa. Zurück blieben die Eltern Sigmund und Sophie sowie Tochter Liselotte.

1942 wurden Sigmund, Sophie und Liselotte Stern deportiert. Über Zwischenstationen gelangten sie in das Ghetto Krasniczyn in Polen. Von dort wurden sie ins KZ Auschwitz verschleppt und 1942 ermordet.

Die Söhne Julius und Arnold Stern überlebten in Palästina und gründeten dort Familien. In Hoppstädten-Weiersbach erinnern seit 2018 sieben Stolpersteine vor dem Haus Hohlengraben 4 an die Familie Stern. Die Geschichte der Familie Stern zeigt eindrücklich, wie eine große Familie durch Emigration, Flucht und Vernichtung auseinandergerissen wurde.

Elise und Ottilie Eppstein (Hoppstädten-Weiersbach)

Elise Eppstein (*1848) und ihre Tochter Ottilie Eppstein (*1875) waren ebenfalls jüdische Einwohner von Hoppstädten-Weiersbach. Elise war über 90 Jahre alt und gebrechlich, als sie die frühen Jahre der NS-Herrschaft erlebte. Ihre Tochter Ottilie, verheiratet mit einem Herrn Katzenberg, hielt spätestens nach Kriegsbeginn wieder engen Kontakt zu ihr.

Am 25. Juni 1941 starb Elise Eppstein in Hoppstädten-Weiersbach – vermutlich an den Folgen von Entbehrung und seelischem Druck. Ottilie Eppstein wurde 1942 deportiert: über Köln ins Ghetto Theresienstadt und von dort weiter ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie im September 1942 ermordet wurde.

Zur Erinnerung an Mutter und Tochter Eppstein wurden im September 2022 zwei Stolpersteine vor dem Haus Hauptstraße 20 verlegt. Ihre Geschichte zeigt, wie auch ältere und verwurzelte Bürger dem Terror des NS-Regimes nicht entkommen konnten.

Landesrabbiner Dr. Alex Lewin (Hoppstädten-Weiersbach)

Dr. Alexander (Alex) Lewin (*1888 in Adelsheim) war ab 1920 Landesrabbiner des oldenburgischen Landesteils Birkenfeld. Sein Dienstsitz befand sich in Hoppstädten. Er war ein hochgebildeter Mann, promovierte 1920 und forschte zur jüdischen Geschichte der Region.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Dr. Lewin entrechtet: 1933 wurde sein Gehalt gestrichen, 1935 wurde ihm der Zugang zu Archiven verwehrt. Beim Novemberpogrom 1938 verwüstete man seine Wohnung, und er wurde ins KZ Dachau verschleppt. Nach seiner Freilassung Ende 1938 verschärften sich die Repressionen. 1939 verlor er seine Staatsangehörigkeit.

Ende 1939 floh Dr. Lewin nach Frankreich, wurde aber nach dem deutschen Einmarsch 1940 interniert. 1942 deportierte ihn die Gestapo von Drancy nach Auschwitz, wo er noch im selben Jahr ermordet wurde.

Seit 2018 erinnert ein Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnhaus (Im Pferch 16) in Hoppstädten an Dr. Lewin. Er steht stellvertretend für viele jüdische Gelehrte, die Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurden.

Wolfgang Herfurth-April 2025

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