Am Ufer der Nahe schlägt ein starkes Herz – Kronweiler stellt sich vor

Zwischen sanften Hunsrückhügeln und den funkelnden Wassern der Nahe liegt ein Ort, der auf keiner großen Landkarte auffällt – und doch tief im Herzen seiner Bewohner verankert ist: Kronweiler, ein kleines Dorf in der Verbandsgemeinde Birkenfeld, das mit Geschichte, Gemeinschaft und landschaftlichem Zauber beeindruckt. Wer hier wohnt, tut das mit Stolz. Wer hierher kommt, spürt sofort: Hier ist Heimat mehr als ein Wort.
Für mich persönlich ist Kronweiler mehr als nur ein Punkt auf der Karte. Ich bin in Birkenfeld geboren, ein Kind dieser Region, das nie wirklich fortgegangen ist – und Kronweiler habe ich vor einigen Jahrzehnten auf meine ganz eigene Weise kennengelernt: 1990 war ich als ziviler Kraftfahrer an der Artillerieschule in Idar-Oberstein beschäftigt, unter anderem auch als Panzerfahrer. Unsere Fahrten führten uns oft durch dieses Dorf – und der Fischerhof war dabei ein Ort, der mir schon damals aufgefallen ist. Ich weiß nicht, ob das Wort „Würde“ es trifft, aber irgendetwas an diesem Gut hatte diese stille, kraftvolle Ausstrahlung.
So begegnet man Kronweiler – nicht immer mit großen Gesten, sondern manchmal leise, fast beiläufig. Und doch bleibt es haften. Ein Ort, der Eindruck macht – gerade weil er sich nicht aufdrängt.
Wo die Nahe und der Schwollbach sich begegnen
Kronweiler liegt idyllisch eingebettet im oberen Nahetal, rund sieben Kilometer südlich der Kreisstadt Birkenfeld und unweit von Idar-Oberstein. Der Ort markiert den Punkt, an dem der Schwollbach, frisch aus dem Idarwald kommend, in die Nahe mündet. Das ergibt nicht nur ein malerisches Landschaftsbild, sondern auch eine historische Lebensader – denn entlang der Nahe entwickelte sich über Jahrhunderte hinweg das Leben in Kronweiler.
Mit rund 351 Hektar Gemarkungsfläche, davon etwa die Hälfte bewaldet, bietet die Umgebung eine wahre Oase für Naturliebhaber. Wanderer und Radfahrer genießen den Nahe-Radweg, der sich durch Kronweiler zieht – eine Einladung, die Flusslandschaft zwischen Kronweiler und dem Nachbarort Rimsberg aktiv zu erleben.
Von Crombul zur Krone: Ein Dorf mit Wurzeln
Die Wurzeln Kronweilers reichen zurück bis ins Mittelalter: Erstmals erwähnt wurde der Ort 1360 als „Crombul“. Über „Cromel“ (1438) und „Cromell“ (1580) entwickelte sich schließlich der heutige Name – Kronweiler, der wie ein sprachliches Denkmal das Wort „Krone“ in sich trägt.
Im Mittelalter war der Ort Teil der Hinteren Grafschaft Sponheim – ein regionales Machtzentrum mit bewegter Geschichte. Später, im Zuge des Wiener Kongresses, wurde Kronweiler 1817 Teil des oldenburgischen Fürstentums Birkenfeld. Eine politische Zugehörigkeit, die sich nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in der Architektur des Orts niederschlug.
Der Fischerhof: Ein oldenburgisches Erbe
Ein herausragendes Beispiel dieser Zeit ist der Fischerhof. Dieses landwirtschaftliche Mustergut, benannt nach dem oldenburgischen Regierungspräsidenten Laurenz Hannibal Fischer, wurde ab 1833 angelegt. Als Symbol für Modernisierung und Fortschritt prägte es die Region – und wurde später sogar Standort der Bundeswehr. Bis 2014 diente der Fischerhof als Übungsgelände, ehe die historischen Gebäude in den Privatbesitz wechselten. Die Ländereien blieben im Eigentum des Bundes – ein stiller Hinweis darauf, wie Geschichte und Gegenwart sich hier die Hand geben.
Ein Bahnhof, der Geschichten erzählt
Ein weiteres architektonisches Kleinod Kronweilers: der Bahnhof. Als die Nahetalbahn 1860 eröffnet wurde, bekam auch das kleine Kronweiler seine eigene Station. Der erste hölzerne Bau brannte 1867 ab, doch schon ein Jahr später entstand das bis heute erhaltene Empfangsgebäude – ein zweigeschossiger Bau aus gelbem Sandstein, klassizistisch geprägt und für ein Dorf dieser Größe bemerkenswert stattlich.
1910 wurde der Bahnhof erweitert – und bis heute erinnert das Gebäude, das heute zu Wohnzwecken dient, an die große Zeit der Eisenbahn in der Region. Noch immer halten Züge in Kronweiler – eine wertvolle Anbindung für Pendler, Schüler und alle, die trotz Dorfidylle mobil bleiben wollen.
Kriege, Glocken und ein stiller Hügel
Doch nicht nur Fortschritt, auch Leid hat das Dorf geprägt. Zwölf Männer aus Kronweiler fielen im Ersten Weltkrieg. Ihnen zu Ehren wurde 1925 ein Ehrenmal auf dem „Glockenberg“ errichtet – eine Sandsteinstätte mit eingemeißelten Namen, begleitet von einem offenen Glockenturm aus Stahl.
Die Glocken selbst erzählen ihre eigene Geschichte: Im Ersten Weltkrieg beschlagnahmt, im Zweiten erneut eingeschmolzen – bis 1952 endlich eine neue Bronzeglocke kam. Ihre Ankunft wurde zum Freudenfest für den ganzen Ort – mit Prozession, Segnung und stundenlangem Geläut. Heute ertönt sie nur noch zu Beerdigungen – und bleibt damit ein emotionaler Klang der Erinnerung.
Die Nachkriegszeit: Aufbruch und Wandel
Nach 1945 erlebte Kronweiler – wie viele ländliche Orte – eine Phase des Wiederaufbaus. Rückkehrer und Neubürger brachten neues Leben, die Einwohnerzahl stieg auf einen Rekordwert von 465 im Jahr 1961. Landwirtschaft, Handwerk und Industriearbeitsplätze in der Region (besonders rund um Idar-Oberstein) bestimmten den Alltag.
Doch mit der Urbanisierung und dem demografischen Wandel setzte eine schleichende Abwanderung ein. Heute zählt Kronweiler etwa 315 Haupt- und rund 15 Nebenwohnsitze – eine überschaubare, aber aktive Gemeinschaft, die sich ihre Identität bewahrt hat.
Politik mit Handschlagqualität
Kronweiler ist klein – und das merkt man auch in der Politik. Der Ortsgemeinderat zählt nur sieben Mitglieder, inklusive des ehrenamtlichen Bürgermeisters. Seit 2019 ist Jochen Bier (SPD) im Amt – 2024 wurde er erneut gewählt. Parteipolitik? Spielt hier kaum eine Rolle. Es zählt das Miteinander, das Machen, das Gestalten.
Das 1964 offiziell verliehene Wappen der Gemeinde verbindet regionale Symbolik: die silberne Wellenleiste für die Nahe, der rot-silberne Balken für Sponheim – und darüber: eine goldene Krone. Ein sprechendes Zeichen für Kronweiler.
Kirche im Dorf – und im Wandel der Zeit
Lange war Kronweiler protestantisch geprägt – doch 1910 errichteten katholische Familien eine eigene Kapelle, die Herz-Jesu-Filialkirche. Sie war ein wichtiger Schritt für nur sieben Familien. Doch mit der Zeit nahm die Nutzung ab, und 2023 wurde sie entweiht. Ein Investor plant nun, das Gebäude zu erhalten und es gelegentlich für kulturelle oder kirchliche Veranstaltungen zu öffnen.
Die evangelischen Christen gehören zur Kirchengemeinde Niederbrombach, deren Magdalenenkirche zu den bedeutenden Kirchen im oberen Nahegebiet zählt. In Kronweiler leben die Konfessionen friedlich nebeneinander – Gemeinschaft wird hier größer geschrieben als Trennung.
Zwischen Ehrenmal, Dialekt und Angelglück
Kultur in Kronweiler – das ist mehr als Tradition, das ist gelebter Alltag. Der Glockenberg wurde 2016 aus seinem Dornröschenschlaf geweckt: neue Wege, Bänke, Schilder sollen den historischen Ort erlebbar machen. Auch das alte Bahnhofsgebäude wird gehegt und gepflegt – als Teil der Dorfgeschichte.
2019 wurde sogar ein Mundartfestival veranstaltet, bei dem Dichter und Musiker die Hunsrücker Mundart feierten. Und regelmäßig bringt der Verschönerungsverein Farbe und Leben ins Dorf. Daneben ist der Angelsportverein aktiv – denn an der fischreichen Nahe lebt man den Naturschutz mit Haken und Schnur.
Modern angebunden, charmant verwurzelt
Trotz seiner Größe ist Kronweiler verkehrlich hervorragend erschlossen: Bundesstraße 41, Autobahn 62, eigener Bahnhof – wer hier lebt, bleibt mobil. Das ermöglicht Berufspendlern den Spagat zwischen Landleben und Stadtjob.
Die Infrastruktur im Ort ist schlank, aber funktional. Zwar gibt’s keinen Supermarkt mehr, dafür aber mobile Händler und ein Dorfgemeinschaftshaus, das regelmäßig bespielt wird – von der Fastnacht bis zum Martinsumzug. Das alteingesessene Gasthaus „Zur Krone“ steht symbolisch für die Gastlichkeit des Orts – ganz wie sein Name.
Ein Dorf, das bleibt – und sich neu erfindet
Kronweiler ist kein Museum. Es ist ein lebendiger Ort mit Menschen, die anpacken. Bei der Spielplatzpflege, bei der Kapellenrenovierung, bei Ideen für sanften Tourismus. Im Rahmen einer Dorfmoderation wurden Stärken und Potenziale erarbeitet. Die Lage am Fluss, die historischen Orte, das kulturelle Herz – all das soll künftig sichtbarer und erlebbarer werden.
Die Medien berichten regelmäßig, die Nahe-Zeitung nimmt Kronweiler ernst. Es ist ein Dorf, das Geschichte bewahrt, Gemeinschaft lebt und an die Zukunft glaubt.
Kronweiler – Mehr als ein Ort
Am Ende bleibt das Gefühl, dass Kronweiler nicht nur ein Name auf einem Ortsschild ist, sondern ein gelebter Schatz, ein Heimatgefühl, das man nicht googeln, sondern nur erleben kann. Zwischen Sandstein, Stahlglocke und Naheufer schlägt es – das starke Herz eines kleinen Dorfs im Hunsrück.
Wolfgang Herfurth – April 2025