Meckenbach: 110 Seelen, 1000 Geschichten – Das Herz des Hunsrücks schlägt hier

Wer im Hunsrück ein verstecktes Juwel sucht, wird unweigerlich auf Meckenbach stoßen – eine Ortsgemeinde, so klein wie charmant, so ruhig wie geschichtsträchtig. Mit rund 110 Einwohnern, einer Fläche von knapp 3,8 km² und über 60 % Waldanteil ist Meckenbach ein Ort der Stille – aber niemals der Bedeutungslosigkeit. Hier lebt Geschichte, hier klingt Gemeinschaft, hier pulsiert Heimat.
Wo alles begann: Hügelgräber, Kelten und Ziegen
Die Spuren menschlicher Siedlung reichen weit zurück. Bereits in der Latène-Zeit (ca. 450–150 v. Chr.) wurde das Gebiet rund um Meckenbach bewohnt – belegt durch ein Hügelgräberfeld, das vor dem Ersten Weltkrieg in der Gewanne „Auf dem Bühl im Sangbösch“ entdeckt wurde. Die Grabbeigaben lassen auf eine keltische Besiedlung schließen.
Der Name „Meckenbach“ selbst verweist auf das frühmittelalterliche Siedlungswesen: Abgeleitet vom Wort „Mecke“ (vermutlich „Ziege“) bedeutet er sinngemäß „Ziegenbach“. Typisch für die fränkische Landnahmezeit im 6.–9. Jahrhundert.
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Meckenbach am 29. Juni 1334 – in einer Niederschrift, in der ein gewisser Kuno von Birkenfeld versprach, sein „Gut auf dem Hof zu Meckenbach zu bessern“. Ein Satz – ein Dorf – eine Geschichte beginnt.
Mittelalterliche Machtspiele und konfessionelle Konflikte
Im 14. Jahrhundert unterstand Meckenbach der Pflege Achtelsbach – ein Verwaltungsbezirk rund um das heutige Achtelsbach. Besitzer waren die Vögte von Hunolstein, ein regional bedeutendes Adelsgeschlecht.
1480 dann ein einschneidender Wechsel: Herzog Ludwig I. von Pfalz-Zweibrücken kaufte die Pflege Achtelsbach – Meckenbach wurde pfalz-zweibrückisch. Es folgte eine komplexe Verwaltungsgeschichte:
– Kirchlich gehörte der Ort zum Kirchspiel Achtelsbach,
– steuerlich unterstand er lothringischen Lehensherren,
– die örtliche Verwaltung lag beim Amt Nohfelden.
Diese Dreiteilung führte immer wieder zu Reibungen – vor allem zur Zeit der Reformation. Während Pfalz-Zweibrücken 1523 offiziell protestantisch wurde, predigte der Pfarrer in Achtelsbach auf lothringisches Betreiben weiter katholisch. Erst Jahre später folgte die endgültige Evangelisierung des Kirchspiels.
Wetterkapriolen, Seuchen – und eine erstaunliche Stabilität
1573 tobte die Pest in der Region – 67 Tote in Achtelsbach, 25 in Eisen, 10 in Traunen. Doch für Meckenbach keine Fälle. Vermutlich verschonte die Abgeschiedenheit das Dorf.
1579 dann ein markanter Eintrag im Kirchenbuch: Frost im Oktober, Weintrauben erfrieren am Stock – Zeugnis für den Weinbau im Hunsrück und die Kälte der Kleinen Eiszeit.
1609 lebten in Meckenbach 29 Menschen in 7 Häusern: Sechs Ehepaare, zwölf Kinder, drei Witwen, ein Knecht und eine Magd. Familiennamen wie Hirt, Lambert, Lang, Melchior, Schmidt und Staudt sind bis heute präsent.
Krieg und Verwüstung – und ein Wunder von Meckenbach
Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) wütete brutal – aber Meckenbach blieb zunächst verschont. 1635 zogen französische Truppen unter Herzog Bernhard von Weimar durch die Region – Brücken, Eisen, Haupenthal brannten nieder. Meckenbach nicht.
Doch 1639, nach der Schlacht bei Kaiserslautern, plünderten spanische Truppen das Dorf – es blieb physisch unversehrt, doch das Leid war da. Die Bevölkerung versteckte sich in den Wäldern. Der Ort wurde wohl auch Zufluchtsort für andere Dörfer, die vollständig zerstört waren.
Später fanden sich rund um Meckenbach vergrabene Münzverstecke – stumme Zeugen einer Zeit der Angst.
Revolutionen, Reformen und französisches Recht
Nach dem Krieg kamen ruhigere Zeiten. 1790 zählte Meckenbach etwa 100 Einwohner. Dann rückten die Franzosen an:
1794 besetzt,
1798 dem französischen Département de la Sarre zugeordnet.
Hier galt der Code Civil, die Leibeigenschaft wurde abgeschafft. Das Dorf gehörte fortan zum Kanton Birkenfeld – mit all den neuen Rechten und Pflichten der französischen Verwaltung.
Oldenburg in Rheinland-Pfalz? Ja, tatsächlich.
Nach dem Wiener Kongress 1815 kam Meckenbach nicht etwa zu Preußen, sondern ins Großherzogtum Oldenburg – als Exklave! Ab 1817 gehörte das Dorf also zum Fürstentum Birkenfeld, Hauptort: Birkenfeld.
1815: 90 Einwohner,
1835: 107,
1860: 142 – der Höchststand.
Doch die wirtschaftliche Lage war prekär. Zwischen 1840 und 1870 setzten massive Auswanderungswellen ein. Namen sind belegt:
– 1848: Jakob der Schneider,
– 1849: Witwe Maria Elisabeth Saar,
– 1862: Franz Küntzer und Philipp Schüßler mit Familien – sie gingen nach Brasilien und Nordamerika.
Dennoch: 1905 lebten 139 Menschen in Meckenbach – eine stabile, widerstandsfähige Bevölkerung.
Feuerwehr, Männerchor, Gemeinschaft pur
1896 wurde der Männergesangverein Meckenbach gegründet – bis heute aktiv und ein zentraler Baustein des Dorflebens. 1996 gab’s die Zelter-Plakette vom Bundespräsidenten, 2023 wurde das 125-jährige Jubiläum gefeiert – mit sechs Gastchören, großem Fest, Besuch des Landes-Chorverbandspräsidenten.
1966 kam die Freiwillige Feuerwehr, 1992 die Jugendfeuerwehr – gegründet übrigens nach einem „Hexenstreich“. Das Feuerwehrhaus wurde 1993 gebaut – größtenteils in Eigenleistung. Jeden ersten Sonntag im Monat: Übungstag.
Daneben:
– die Initiativgruppe junger Eltern (organisiert Martinsumzüge, Spielplatzaktionen),
– das legendäre Strickkränzchen seit über 30 Jahren,
– der gemeinsame Bolzplatz (seit 1980),
– Preis-Bullturniere, Fastnacht, Kirmes – organisiert von allen, getragen vom Zusammenhalt.
Modernisierung – spät, aber entschlossen
– 1925: Strom kommt ins Dorf
– 1932: zentrale Wasserversorgung
– 1962: Asphaltierte Straßen
– 1999: Anschluss an die Abwasserentsorgung
– 2001: Einweihung des neuen Gemeindehauses
Ein Dorf, das selbst zupackt – von der Planung bis zur Fertigstellung.
Wettbewerbe und Preise: Unser Dorf hat Zukunft
1971–1975: Teilnahme am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“
1973: Goldmedaille auf Landesebene – großer Stolz, Auftritt des MGV im Kurfürstlichen Schloss in Mainz.
2004: 2. Platz auf Kreisebene
2010: 3. Platz
Das zeigt: Engagement, Identität, Zusammenhalt – in Meckenbach nicht nur Schlagworte, sondern gelebte Realität.
Windkraft trifft Kulturdenkmal
2014 wurden westlich des Dorfes fünf Windräder in Betrieb genommen – auf dem gemeindeeigenen „Industriegebiet“ zwischen Meckenbach und Sötern. Direkt daneben: der Vierbannstein, ein historischer Grenzstein, an dem heute die Landesgrenze zu Saarland verläuft. Seit 2021 steht dort eine Infotafel, gefördert vom Naturpark Saar-Hunsrück – Heimatkunde zum Anfassen.
Verwaltung, Wappen, Wurzeln
Seit 2015 ist Meckenbach Nationalparkgemeinde im Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Politisch gehört das Dorf zur Verbandsgemeinde Birkenfeld. Der Ortsbürgermeister: Stefan Bill, seit 2014 im Amt, 2024 bestätigt.
Das Wappen, verliehen 1965, trägt:
– Goldenen Löwen (Symbol für Pfalz-Zweibrücken),
– Wolfsangel (Forstwirtschaft und Jagdtradition),
– sechs silberne Sterne (vermutlich sechs alte Hofstellen oder Familien).
Medienecho: Fernsehen, Zeitung, Stolz
– SWR „Hierzuland“ (2018): Portrait der Straße „Vor Ehrling“ – skandinavisch anmutende Holzhäuser, junge Familien, Neubürger aus den Niederlanden.
– Nahe-Zeitung & Trierischer Volksfreund: regelmäßige Berichte über Vereinsjubiläen, den Vierbannstein, den MGV, Dorffeste, Kinderaktionen.
Quellen, Forschung, Familiengeschichte
– Ersterwähnungsurkunde von 1334 vermutlich im Landesarchiv Speyer oder Koblenz
– Kirchenbücher ab 1572, archiviert in Boppard
– Familienbücher von Rudi Jung (1998) und Küstner/Wagner (1999)
– Protokolle und Ratsakten im Kreisarchiv Birkenfeld
– Historische Karten: Kataster 1841, Preußische Landesaufnahme, französische Karten um 1810
– Erwähnung des „Fürstentums Birkenfeld“ in der Operette „Die lustige Witwe“ – eine literarische Anekdote mit Witz und Stolz
Fazit: Meckenbach ist nicht klein – es ist konzentriert
Ein Ort, in dem sich Jahrhunderte bündeln, wo Wälder Geschichten flüstern, Steine sprechen und Menschen nicht vergessen, wo sie herkommen.
Ob im Männerchor, beim Feuerwehrfest, im Strickkränzchen oder auf dem Bolzplatz: In Meckenbach lebt nicht nur Erinnerung – sondern echte Gemeinschaft.
110 Seelen. 1000 Geschichten. Ein Ort, der still ist – aber nie sprachlos.
Wolfgang Herfurth – April 2025