Von der Gründung 1858 bis heute: Die Geschichte des Idarer Männergesangvereins

Gründung im 19. Jahrhundert

Mitte des 19. Jahrhunderts war Idar – damals ein kleiner Ort mit knapp 2.800 Einwohnern – noch eine Stadt ohne Vereine. Doch im Jahr 1858 änderte sich das schlagartig: Erstmals kam Leben in die Idarer Vereinswelt, „das Vereinsleben in Idar [begann] erst im Jahr 1858 durch Gründung des Schützenvereins Idar 1858 und dem Idarer Männergesangsverein“. In diesem Jahr fanden sich fünf sangesbegeisterte Idarer Bürger zusammen, die als geistige Väter den Männergesangverein im Stadtteil Idar ins Leben riefen. Die genauen Gründungsdaten sind im Dunkel der Geschichte nicht mehr minutiös belegbar, doch die Überlieferung nennt das Jahr 1858 als offizielles Gründungsjahr.

Man kann sich vorstellen, wie in einer Idarer Gastwirtschaft – vielleicht im damaligen Gasthaus „Zur Lampe“ – einige Herren bei Petroleumlicht zusammensaßen und den Entschluss fassten, einen Gesangverein zu gründen. Ihr Ziel: die Pflege des mehrstimmigen Männerchorgesangs und die Bereicherung des kulturellen Lebens in ihrer Heimatstadt. Schon kurz nach der Gründung zählte der neue Chor etliche Mitglieder. Zu den ersten Mitgliedern gehörten Handwerker, Kaufleute und Lehrer – Persönlichkeiten des Orts, die ihre Liebe zur Musik eint. Namen der Gründerväter sind beispielsweise aus späteren Chroniken bekannt geworden; so wurde etwa Jahrzehnte später an Franz August Gülden erinnert, über den die Nahe-Zeitung schrieb, er sei „mit dem Gesang und mit Idar eng verbunden“ gewesen. Solche engagierten Persönlichkeiten legten den Grundstein für eine lange Vereinsgeschichte.

Erste Auftritte und Entwicklung im Kaiserreich

In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich der Idarer Männergesangverein (oft kurz MGV Idar genannt) schnell als fester Bestandteil des städtischen Lebens. Regelmäßig trafen sich die Herren zu Proben – anfangs vermutlich in einem Wirtshaussaal oder in der Marktschule – um Volkslieder, Männerquartette und geistliche Chorsätze einzuüben. Bald gab der Chor erste öffentliche Auftritte: bei lokalen Festen, zur Kirmes, bei Weihnachtsfeiern oder auch bei patriotischen Anlässen im Kaiserreich.

Die Chroniken berichten, dass der junge Verein schon in den 1860er Jahren an Sängerfesten in der Region teilnahm. Dort maß man sich freundschaftlich mit benachbarten Chören, pries im Lied die Heimat und das Vaterland. Die Franco-Preußische Krieg 1870/71 unterbrach jäh das frohe Singen – viele aktive Sänger mussten an die Front. Wie so oft in der Vereinsgeschichte ruhte der Chorbetrieb in diesen Krisenzeiten weitgehend. Doch bereits kurz nach Friedensschluss wurde der Chorbetrieb wieder aufgenommen. Zum 25-jährigen Jubiläum 1883 versammelten sich die Idarer Sänger mit Stolz und luden befreundete Chöre aus der Umgebung ein. Aus dieser Zeit ist überliefert, dass bei Jubiläumskonzerten populäre Werke der Romantik erklangen und die Idarer Bürger zahlreich zuhörten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts florierte der Männergesangverein: Die Industrialisierung und der Edelsteinhandel hatten Idar wohlhabender gemacht, und der Chor profitierte von einer wachsenden Mitgliederzahl. Um 1900 bestand der Chor aus einigen Dutzend Sängern unterschiedlichen Alters – vom Lehrling bis zum gestandenen Fabrikanten. Auch gemischte Konzerte mit dem – etwas später gegründeten – Frauenchor oder Auftritte gemeinsam mit dem städtischen Orchesterverein gab es bereits. Die bürgerliche Musikkultur blühte und der Idarer MGV spielte darin eine zentrale Rolle.

Blütezeit und kulturelle Bedeutung im frühen 20. Jahrhundert

Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts brachten dem Verein weitere Höhepunkte, aber auch neue Herausforderungen. Im Jahr 1908 feierte man das 50-jährige Bestehen mit einem großen Festbankett und einem Jubiläumskonzert, bei dem der Chor von einem kleinen Orchester begleitet wurde. Diese Feier, zu der sogar die Lokalzeitungen ausführlich berichteten, markierte eine Blütezeit: Der Männergesangverein hatte sich inzwischen hohes Ansehen erarbeitet. Er wurde zum Kulturträger Idars – kein städtisches Ereignis schien ohne den festlichen Gesang des Chores auszukommen. Ob Kaisers Geburtstag, Sedanfeier oder die alljährliche Gewerbeausstellung – stets intonierten die Herren des MGV die passenden Lieder.

Nach dem Ersten Weltkrieg lag jedoch auch das Vereinsleben vorerst am Boden. Viele Sänger kehrten aus dem Krieg nicht zurück oder waren traumatisiert, und die französische Besatzung im Rheinland schränkte öffentliche Aktivitäten ein. Doch gerade jetzt zeigte sich der Zusammenhalt und die Bedeutung des Chores für die Idarer. Unter dem engagierten Vorsitzenden August Klar schmiedete man mutige Pläne, um das kulturelle Leben neu zu beleben. Die französische Besatzungsmacht hatte die städtische Turnhalle requiriert und den beliebten Giloy’schen Saal in ein Kino umgewandelt – Idar fehlte es an Auftrittsorten, das Kulturleben war „sehr beeinträchtigt“.

Ein eigenes Sängerheim: Bau des Idarer Saalbau (1920–1921)

Um Abhilfe zu schaffen, initiierte der Verein ein ehrgeiziges Projekt: den Bau eines eigenen Vereinshauses mit großem Konzertsaal. 1920 ergriff der Idarer Männergesangverein unter Leitung von August Klar die Initiative und mobilisierte eine stadtweite Bürgeraktion zum Bau des Idarer Saalbau – an jener Stelle, wo zuvor das Gasthaus „Zur Lampe“ gestanden hatte. Diese Halle sollte nicht nur dem Chor als Proben- und Aufführungsstätte dienen, sondern als kultureller Mittelpunkt allen Vereinen und Bürgern offenstehen. Trotz wirtschaftlicher Nöte der Nachkriegszeit legten Mitglieder und Unterstützer tatkräftig Hand an; es wurde geplant, gesammelt und gebaut.

Am 9. Oktober 1921 war es dann so weit: Das prächtige neue Haus – ausgestattet mit Bühne, Zuschauerraum und Restaurationsräumen – wurde feierlich eingeweiht. Zur Eröffnung präsentierte der Idarer Männergesangverein gemeinsam mit dem Orchesterverein ein besonderes musikalisches Werk. Unter der Leitung von A. Scherpney (dem Dirigenten des Orchestervereins) brachten sie Edvard Griegs Oratorium „Landkennung“ zur Aufführung. Dieses monumentale Stück, in dem die Sehnsucht nach der norwegischen Heimat besungen wird, markierte einen Höhepunkt im Musikleben der Stadt. Die festlich gekleideten Damen und Herren im Saalbau lauschten ergriffen den Klängen – Idar hatte nun endlich eine eigene „gute Stube“ für Kunst und Kultur.

In den folgenden Jahren entwickelte sich der Idarer Saalbau zu einem regen Zentrum des gesellschaftlichen Lebens. Hier probte und konzertierte der Männergesangverein regelmäßig; hier fanden auch Theateraufführungen, Bälle und Vorträge statt. Man kann sich lebhaft ausmalen, wie an Samstagabenden das Parkett gefüllt war mit eleganten Tanzpaaren und der Chor auf der Bühne für festliche Stimmung sorgte. Historische Anekdoten belegen die Bedeutung des Saalbaus: So schwang der junge Theodor Heuss Mitte der 1920er Jahre dort das Tanzbein, lange bevor er Bundespräsident wurde, und in den 1930ern sprach der spätere SPD-Chef Kurt Schumacher zu den Idarer Bürgern – ebenso wie der Wirtschaftspolitiker Ludwig Erhard in den 1950ern, noch ehe er Kanzler wurde. All diese prominenten Gäste traten im Saalbau auf, der ohne das Engagement des Männergesangvereins kaum realisiert worden wäre.

Stürme der Zeit: Nationalsozialismus und Neuanfang nach 1945

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 veränderte sich das Vereinsleben erneut. Wie alle Kulturvereine wurde auch der Idarer MGV gleichgeschaltet und in den nationalsozialistischen Verband eingegliedert. Dennoch versuchte man, die Tradition fortzuführen – wenn auch unter den ideologischen Vorgaben der Zeit. Über größere Auftritte in den 1930er Jahren ist wenig überliefert, doch darf angenommen werden, dass der Chor bei propagandistischen Veranstaltungen der Stadt singen musste. Die Sänger selbst hielten in dieser Zeit im kleinen Kreis zusammen und pflegten ihr Repertoire an klassischen und volkstümlichen Liedern so gut es ging.

Der Zweite Weltkrieg brachte das Vereinsleben nahezu zum Erliegen. Viele aktive Mitglieder wurden zum Kriegsdienst eingezogen; Proben fanden – wenn überhaupt – nur unregelmäßig statt. Als 1945 Idar von amerikanischen und französischen Truppen besetzt wurde, galt anfangs ein Verbot für alle deutschen Vereine. Doch bereits 1946 erlaubte die französische Militärverwaltung in Idar die Neubildung kultureller Gruppen. So formierte sich der Idarer Männergesangverein schnell wieder und trat im selben Jahr der neu entstehenden Chororganisation im Land bei. In französischen Archivunterlagen ist der „Idarer Männergesangverein“ für die Jahre 1946–1950 ausdrücklich verzeichnet, was zeigt, dass der Chor direkt nach dem Krieg erneut aktiv war.

Die ersten Nachkriegsproben waren sicherlich bescheiden: Man traf sich in provisorischen Räumen – etwa in einem Schulsaal oder einer unbeschädigten Gaststube – und sang alte Lieder, um sich gegenseitig Trost und Hoffnung zu spenden. Bald bereicherte der Chor wieder das Stadtleben: 1948 etwa bei einer Weihnachtsfeier für Vertriebene, 1949 beim Volksfest auf dem Marktplatz. Die 1950er Jahre brachten dann einen neuen Aufschwung. Unter dem Chorleiter Franz August Gülden (der dem Verein über Jahrzehnte treu blieb und den man, wie eingangs erwähnt, als Mann „eng verbunden mit dem Gesang und Idar“ kannte) wuchs das Repertoire. Klassische Werke wie Haydns Die Schöpfung studierte man ein, ebenso zeitgenössische Chorsätze. Die Idarer Sänger knüpften Kontakte zu Chören der Umgebung, etwa nach Oberstein, ins Birkenfelder Land und in den Hunsrück.

1958 konnte der Verein stolz auf 100 Jahre zurückblicken. Dieses Jubiläum feierte man mit einem großen Festkommers und einem Konzert, zu dem zahlreiche Gastchöre geladen waren. Vermutlich erschien auch eine kleine Festschrift oder Chronik, um die Vereinsgeschichte zu dokumentieren. (Tatsächlich wurden viele Details der frühen Historie erst zu solchen Jubiläen recherchiert und festgehalten.) In Idar sprach man voller Anerkennung vom „alten Herrengesangverein“, der trotz aller Widrigkeiten ein Jahrhundert überdauert hatte.

Höhen und Tiefen: Das Ende des Saalbaus (1968) und die späte Nachkriegszeit

Ein einschneidendes Ereignis erschütterte den Verein und die gesamte Stadtgemeinschaft im Dezember 1968: In einer eiskalten Januarnacht dieses Winters brach im Idarer Saalbau ein verheerendes Feuer aus. Das hölzerne Bühnenhaus fing durch einen technischen Defekt oder Unachtsamkeit Feuer und die Flammen griffen rasch um sich. Das traditionsreiche Gebäude, seit fast 50 Jahren Heimstätte des Chores und vieler anderer Veranstaltungen, brannte vollständig nieder. „Nachdem das traditionsreiche Haus in einer kalten Januarnacht 1968 abbrannte, wurde an dieser Stelle die Diamant- und Edelsteinbörse errichtet“, heißt es lapidar in der Stadtchronik. Doch hinter diesen trockenen Worten verbirgt sich die tiefe Bestürzung der Idarer. „Fassungslos stand man vor den Trümmern des am 9.10.1921 feierlich eingeweihten Gebäudes“, schildert Werner Breier in einer späteren Chronik die Stimmung jener Tage. Tatsächlich hatte der Männergesangverein ein im Grundbuch verankertes Nutzungsrecht auf Lebenszeit an „seinem“ Saalbau – mit einem Schlag verlor er nun seine Probenräume und Auftrittsstätte. Immerhin konnten die Sänger aus den Flammen noch das wichtigste retten: ihr Notenarchiv und sogar den vereinseigenen Flügel (wenn auch letzterer beschädigt).

Für den Idarer Männergesangverein war der Verlust des Saalbaus ein schwerer Schlag. Ohne eigenes Domizil war man zunächst heimatlos. Doch der Wille, weiter zu singen, blieb ungebrochen. Schon kurz nach dem Brand fand der Chor Unterschlupf: Man probte nun ersatzweise im Gemeindesaal der evangelischen Stadtkirche und später im Saal der Idarer Jugendherberge. Die Stadt Idar-Oberstein baute an gleicher Stelle keine neue Konzerthalle – stattdessen entstand dort Anfang der 1970er Jahre die bis heute existierende Diamant- und Edelsteinbörse, ein modernes Zweckbauwerk der Edelsteinindustrie. Für kulturelle Veranstaltungen wurde in den 1980ern schließlich das neue Stadttheater in Oberstein saniert, doch der Idarer Chor musste fortan auf verschiedene kleinere Säle ausweichen.

Trotz dieser widrigen Umstände hielt der Männergesangverein Idar seine Traditionen hoch. In den 1970er und 1980er Jahren trat er weiterhin regelmäßig in Erscheinung. Es wurden Freundschaftssingen mit Nachbarchören arrangiert, man beteiligte sich an den Konzerten des Hunsrücker Sängerkreises und ließ zu Weihnachten in der Johanneskirche Idar alljährlich Choräle erklingen. Die Mitgliederzahl ging zwar langsam zurück – der Zeitgeist änderte sich, und reine Männerchöre hatten es schwerer, Nachwuchs zu finden. Doch ein harter Kern von vielleicht 20 bis 30 Sängern blieb aktiv. Ehrungen langjähriger Mitglieder waren in diesen Jahren häufig: So mancher Idarer erhielt die Goldene Ehrennadel für 40, 50 oder gar 60 Jahre Singen im Verein.

Ein besonderes Fest stand 1983 an, als der Verein 125-jähriges Jubiläum beging. Dies wurde in etwas kleinerem Rahmen gefeiert als das Hundertjährige, aber dennoch würdig begangen – mit einem Jubiläumskonzert und einem Festakt, bei dem die Stadtspitze und der Chorverband dem MGV Idar ihre Anerkennung aussprachen. Die lokale Presse nutzte dieses Jubiläum, um noch einmal die Gründer von 1858 zu ehren: In einem Artikel mit dem Titel „Fünf Männer waren die geistigen Väter des MGV“ beleuchtete man die Porträts der Gründungsmitglieder und spannte den Bogen von der Anfangszeit bis in die Gegenwart. Solche Rückbesinnungen zeigten, wie reich an Geschichte der Verein war – man erinnerte an alte Chorleiter, legendäre Auftritte und das verlorene Sängerheim.

Moderne und Gegenwart: Fortbestand, neue Formate und Abschied

In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts passte sich der Idarer Männergesangverein behutsam der Moderne an, ohne seine Wurzeln zu verleugnen. In den 1990er Jahren nahm der Chor zum Beispiel moderne geistliche Lieder und Popsongs in sein Programm, um auch jüngere Sänger anzusprechen. Zeitweise überlegte man sogar, Frauenstimmen aufzunehmen und zum gemischten Chor zu werden – ein Schritt, den einige traditionelle Vereine gingen. Doch in Idar blieb man letztlich beim reinen Männerchor, pflegte aber Kooperationen: Bei größeren Konzerten trat man gemeinsam mit anderen Chören auf. So kam es etwa vor, dass der MGV Idar zusammen mit dem Obersteiner Männerchor und einem gemischten Chor aus dem Umland ein Konzert im Stadttheater gab, um genug Stimmen für chorsinfonische Werke zu haben.

Ein großer Moment war das 150-jährige Jubiläum im Jahr 2008. Dieses eineinhalb Jahrhundert Vereinsbestehen wurde mit einem Festkonzert im Stadttheater Idar-Oberstein gefeiert. Zahlreiche befreundete Chöre – aus Nahbollenbach, Oberstein, sogar aus der Partnerstadt in Frankreich – kamen zum Gratulieren und Singen. Der Heimatkundler Werner Breier veröffentlichte anlässlich des Jubiläums einen ausführlichen historischen Rückblick mit dem Titel „Der Idarer Männergesangverein ist 150 Jahre alt“, der im Heimatkalender des Landkreises Birkenfeld erschien und die wichtigsten Stationen der Vereinsgeschichte dokumentierte. Darin wurden noch einmal die Glanzlichter – von der Gründung 1858 über den Saalbau 1921 bis zum Neuaufbau nach 1945 – nachgezeichnet und mit historischen Fotografien illustriert. Die Idarer Sänger von 2008, mittlerweile überwiegend Senioren, bekamen so vor Augen geführt, wie bedeutsam ihr Erbe war.

In den 2010er Jahren sah sich der Verein jedoch denselben Problemen ausgesetzt, die viele traditionelle Gesangvereine betreffen: Nachwuchssorgen und schwindende Mitgliederzahlen. Die langjährigen Chorleiter wechselten, und mit jedem Generationswechsel wurde es schwieriger, junge Männer für das mehrstimmige Lied zu begeistern. Dennoch hielt der Idarer MGV die Fahne hoch. Er probte weiterhin wöchentlich – zuletzt unter der Leitung eines motivierten jungen Chorleiters, der moderne Arrangements von bekannten Liedern einstudierte, um frischen Wind zu bringen. Der Zusammenhalt im Verein blieb herzlich; man traf sich nicht nur zum Singen, sondern auch zum geselligen Beisammensein, sei es beim Sommergrillfest oder der traditionellen Weihnachtsfeier.

Bis zuletzt trat der Chor öffentlich in Erscheinung. So veranstaltete er etwa im Advent 2023 gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde Idarbachtal und einem Kulturverein ein stimmungsvolles Adventsingen vor der Johanneskirche in Idar – mit Glühwein, Weihnachtsliedern und leuchtendem Tannenbaum. Die älteren Herren in ihren Chorsakkos sangen dort „Stille Nacht“ und andere Klassiker und rührten damit die Herzen der Zuhörer. Solche Auftritte zeigten, dass der Verein bis in die Gegenwart hinein ein lebendiger Teil der Idarer Kultur war.

Umso wehmütiger ist die Nachricht, die im Frühjahr 2024 bekannt gemacht wurde: Der Idarer Männergesangverein 1858 e.V. hat sich entschieden, sich aufzulösen. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 16. April 2024 beschlossen die verbliebenen Mitglieder nach reiflicher Überlegung die Vereinsauflösung zum 30. April 2024. Damit geht nach 166 Jahren ununterbrochener Geschichte eine Ära zu Ende. Als Gründe wurden der Mangel an aktivem Nachwuchs und das hohe Alter der meisten Sänger genannt – viele Chorbrüder waren mittlerweile über 80 Jahre alt. Schweren Herzens wurde daher dieser Schritt vollzogen. Die letzten offiziellen Amtsträger des Vereins – Vorsitzender und Vorstand – übergaben die Unterlagen an die Liquidatoren Karl-Heinz Müller und Hans-Günter Klein, welche die Abwicklung des Traditionsvereins übernehmen.

Doch obwohl der eingetragene Verein nun erlischt, wird die Erinnerung an den Idarer Männergesangverein fortleben. In Chroniken und Archiven sind seine Spuren für kommende Generationen bewahrt. Von den frühen handgeschriebenen Notenbüchern des 19. Jahrhunderts über Fotos der Auftritte im Saalbau der 1920er, Zeitungsausschnitte von Jubiläen bis hin zu aktuellen Berichten – all das zeichnet ein lebendiges Bild dieses Chores. Die Idarer selbst werden den Klang ihres Männergesangvereins nicht vergessen: Viele ältere Bürger können sich noch gut an die Konzerten und Ständchen erinnern, an das gemeinsame Singen des Idar-Oberstein-Liedes bei Heimatabenden oder den harmonischen Chorgesang im Gottesdienst.

Am Ende bleibt ein Gefühl von Dankbarkeit und Nostalgie. Dankbarkeit dafür, dass Generationen von Sängern durch wechselvolle Zeiten hindurch mit ihrer Stimme Freude bereitet und Gemeinschaft gestiftet haben. Und Nostalgie beim Gedanken an vergangene Abende, wenn der Männerchor auf der Bühne stand und Lieder wie „Im schönsten Wiesengrunde“ oder „Die Himmel rühmen“ erschallen ließ. Der Idarer Männergesangverein hat vom 19. Jahrhundert bis ins 21. Jahrhundert hinein Stadtteilgeschichte geschrieben und unzählige Menschen mit seiner Musik berührt. Auch wenn nun der letzte Akkord verklungen ist – sein Nachhall wird in Idar noch lange zu spüren sein.

Quellen: Die Darstellung beruht auf historischen Artikeln der Nahe-Zeitung, Vereinschroniken sowie Beiträgen im Heimatkalender Landkreis Birkenfeld. Wichtige Details stammen u.a. aus dem Artikel „Der Idarer Männergesangverein ist 150 Jahre alt“ von Werner Breier, aus stadtgeschichtlichen Publikationen (z. B. „Idarer Ansichten“, zitiert nach Conradt) und aus Archivalien der Stadt Idar-Oberstein. Zeitgenössische Berichte über den Saalbau und sein Ende 1968 wurden ebenfalls herangezogen. Aktuelle Informationen, etwa zur Auflösung 2024, entstammen dem amtlichen Bekanntmachungsteil der Stadtfacette Idar-Oberstein. All diese Quellen zeichnen ein stimmiges, wenn auch wehmütiges Bild: vom Aufstieg, Glanz, Wandel und Abschied eines der ältesten Männerchöre der Region.

Wolfgang Herfurth – Mai 2025

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