Ein Dorf mit Herz, Geschichte und Haltung

Eingebettet in ein sattgrünes Tal zwischen Birkenfeld und Idar-Oberstein liegt die kleine, aber geschichtsträchtige Gemeinde Niederbrombach. Wer durch das Dorf fährt – wie es viele Pendler seit Jahrzehnten auf dem Weg zur Arbeit tun – spürt sofort, dass hier mehr ist als nur Fachwerk und Feste. Vier Täler, mehrere Bäche, der Schwollbach, sanfte Hügel wie der Heidkopf und die Brombacher Höhe – das alles ist Heimat im besten Sinne. Heimat, die geprägt ist von einer Geschichte, die bis ins 7. Jahrhundert zurückreicht – und von einem Gemeinschaftsgeist, der bis heute lebendig ist.
Brambach, Branbach, Brombach – Ein Ort mit vielen Namen und langer Geschichte
Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes reicht bis in die Zeit um das Jahr 700 n. Chr. zurück. Damals übertrug Liutwin, fränkischer Herzog und Erzbischof von Trier, seinen Besitz samt Kirche in „Branbach“ an das Stift St. Paulin in Trier. Diese Schenkung gilt als Startpunkt einer bemerkenswerten Geschichte. Eine weitere Urkunde aus dem Jahr 981 nennt die Kirche in Brambach erneut – ein klarer Beweis für das hohe Alter des Ortes.
Schon früh war Brambach – wie das heutige Niederbrombach früher genannt wurde – mehr als nur ein Dorf. Es war der Mittelpunkt eines Kirchspiels, eines Großbanns, zu dem viele umliegende Siedlungen gehörten. Über Jahrhunderte war Niederbrombach Sitz von Verwaltung, Gericht und Kirche – ein regionales Zentrum, das sich seinen Einfluss durch alle politischen Umwälzungen hindurch bewahrte.
Von Trier nach Frankreich und zurück – Eine politische Achterbahnfahrt
Die Liste der Herrschaften, unter denen Niederbrombach stand, liest sich wie ein historisches Who’s Who:
- Erzbistum Trier
- Grafschaft Sponheim
- Französische Mairie unter Napoleon
- Preußen
- Großherzogtum Oldenburg (Fürstentum Birkenfeld)
- Wieder Preußen
- Und schließlich Rheinland-Pfalz
Besonders die Oldenburger Phase ab 1817 ist bemerkenswert: Niederbrombach war über 120 Jahre Teil einer norddeutschen Exklave im Südwesten. Eine kuriose Konstruktion, die bis heute in regionalen Spitznamen und alten Verwaltungsakten nachwirkt. 1937 wurde das Gebiet wieder Preußen zugeschlagen – und nach dem Zweiten Weltkrieg Teil des neuen Bundeslands Rheinland-Pfalz.
Der Fischerhof – Agrarutopie mit Bauchlandung
Ein weiteres Kapitel Niederbrombacher Geschichte beginnt 1833: Laurenz Hannibal Fischer, ein Regierungspräsident des Fürstentums Birkenfeld, gründete den Fischerhof – einen agrarischen Musterbetrieb auf über 500 Morgen Land. Mit neuen Anbaumethoden, unzähligen Kartoffelsorten und modernen Viehzuchtkonzepten wollte Fischer das Land reformieren.
Doch die Niederbrombacher hatten ihren eigenen Kopf – und wenig Lust auf bevormundende Belehrungen. Als die Erträge ausblieben und Fischers Ideen in der Presse gepredigt wurden, kippte die Stimmung. 1848 – im Jahr der Revolution – wurde der „Preuße“ kurzerhand vom Hof gejagt.
Der Fischerhof blieb als großer Gutshof erhalten und ging später in preußischen Besitz über. Noch bis 2014 nutzte die Bundeswehr das Gelände als Übungsplatz. Heute erinnert nur noch wenig an das kühne Experiment – außer ein paar Gebäuden und der stille Stolz auf eine bodenständige Haltung: Neue Besen kehren nicht immer besser.
Kirche, Schule, Selbstverwaltung – Die Säulen des Dorfs
Trotz seiner überschaubaren Größe ist Niederbrombach kommunalpolitisch autark. Über Jahre hinweg führte Bernd Brombacher als Ortsbürgermeister mit ruhiger Hand die Gemeinde – zuletzt mit über 90 % der Stimmen bestätigt. Nach seinem Rücktritt 2024 drohte kurzzeitig eine Zwangsverwaltung, doch der Zusammenhalt im Ort machte sich bezahlt: Mit Volker Röhrig fand sich ein neuer Bürgermeister, der seit Oktober 2024 die Geschicke des Dorfes lenkt.
Auch sonst ist das Dorf gut aufgestellt: Kindergarten, Grund- und Realschule plus mit Sporthalle, Dorfgemeinschaftshaus, Anschluss an die B41 und die Autobahn A62 – und ein Bahnhof ist mit dem Nachbarort Kronweiler nur einen Katzensprung entfernt.
Traditionen, die zusammenhalten – Das soziale Rückgrat
Was wäre ein Dorf ohne seine Feste? In Niederbrombach spielt das Vereinsleben eine Hauptrolle:
- Musikverein (seit 1888)
- Imkerverein (seit 1898)
- TuS Niederbrombach 1911
- Stammtische, Kirmesjugend, Boule-Runden
Der Höhepunkt im Jahr? Ganz klar: Johannisnacht. Am Abend des 24. Juni zieht die männliche Dorfjugend singend durchs Dorf – eine uralte Tradition, bei der man Eier, Speck und Schnaps sammelt. Später wird beim Eierball gemeinsam gefeiert. Laut Pfarrer Wolfs Chronik reicht dieser Brauch mindestens bis ins 19. Jahrhundert zurück – vielleicht sogar noch weiter.
Dazu kommen:
- Faasenacht mit Kinderumzug
- Kirmes mit Baumstellen und Zeltfest
- Knutfest im Januar (Weihnachtsbaumverbrennung)
- Martinsumzug
- Hexenfeuer in der Walpurgisnacht
- Nikolausabend
Kurze Bilanz: Wer hier wohnt, ist nie allein – weder im Alltag noch beim Feiern.
Die Kirche Maria Magdalena – Ein geistliches Denkmal
Die evangelische Kirche Maria Magdalena ist das Wahrzeichen des Ortes – und die älteste Kirche im gesamten Naheland. Im 12. Jahrhundert entstand hier eine dreischiffige Basilika, später ergänzt durch gotische Elemente. Um 1910 wurde sie unter Leitung von Baumeister August Senz umfassend restauriert.
Das Ensemble mit Pfarrhaus und Pfarrscheune steht unter Denkmalschutz – und ist mehr als ein Fotomotiv: Es ist das spirituelle und kulturelle Herz von Niederbrombach.
Schätze jenseits des Altars – Die Herrengasse und die Edelsteinschleiferei
Wer durch die Herrengasse schlendert, entdeckt liebevoll erhaltene Bauernhäuser, das alte Schulhaus und ein echtes Industriedenkmal: die Edelsteinschleiferei der Familie Müller. Bis in die 1990er-Jahre wurden hier Achate und Jaspis zu Schmucksteinen geschliffen – ein letzter Gruß aus der glitzernden Geschichte der Region rund um Idar-Oberstein.
Heute führt Markus Müller gelegentlich Besucher durch die Werkstatt – und lässt die alten Maschinen noch einmal rattern. Ein leiser, aber eindrucksvoller Blick in die Vergangenheit.
Drei, die Geschichte schrieben – Persönlichkeiten aus Niederbrombach
Auch große Namen stammen aus dem kleinen Ort:
- Johannes Lichtenberger (ca. 1426–1503): Hofastrologe von Kaiser Friedrich III., Verfasser der berühmten „Pronosticatio“.
- Ludwig Friedrich von Schmidt (1764–1857): Evangelischer Theologe, Professor in München, wirkte zuvor als Pfarrer im Dorf.
- Paul Brenner (1905–1988): Jurist und CDU-Kommunalpolitiker aus Niederbrombach – brachte die Werte seiner Heimat in den Kreistag von Birkenfeld.
Dazu kommen viele weitere: Lehrer, Pfarrer, Handwerker – Menschen, die die Dorfgeschichte mitgeschrieben haben. Der Heimatforscher Heinrich Baldes dokumentierte sie in den 1920ern in einer umfangreichen Ortschronik – und eine neue Dorfchronik ist bereits in Arbeit.
Niederbrombach heute – Klein, stark, zukunftsfähig
Niederbrombach ist heute eine Nationalparkgemeinde am Rande des Hunsrück-Hochwalds. Es verbindet Tradition mit Nachhaltigkeit, Heimatliebe mit Offenheit, Geschichte mit Zukunft.
Junge Familien ziehen zu, kreative Projekte entstehen, das alte Schulhaus wird neu gedacht – und der Dorfgeist ist so lebendig wie eh und je. Wer an einem Sommerabend durch die Herrengasse geht, hört Musikproben, Kinderlachen und das Klirren von Gläsern – und weiß:
Hier ist Heimat. Gestern, heute – und auch morgen.
Wolfgang Herfurth – April 2025