Porträt des ASV Rot-Weiß Birkenfeld e.V.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in Birkenfeld ein neuer sportlicher Mittelpunkt für die Schwerathletik: der Athletik-Sportverein Rot-Weiß Birkenfeld e.V. Gegründet in den frühen 1950er-Jahren als spezieller Kraftsportverein, entwickelte er sich rasch zu einer Heimat für Ringer und Gewichtheber der Region. In einer Zeit des Aufbruchs, in der die Besatzungsmächte zunächst nur wenige Sportvereine zuließen und „Kampfsportarten“ wie Ringen zeitweise verboten waren, nutzten die Birkenfelder Sportbegeisterten jede Möglichkeit zum Neubeginn. Der ASV Rot-Weiß Birkenfeld etablierte sich so in der Nachkriegszeit als feste Größe im lokalen Sport. Dieses Porträt zeichnet die Geschichte des Vereins von der Gründung bis heute nach – von den Anfängen in der Nachkriegszeit, den Glanzzeiten in den 1950er bis 1970er Jahren, über prägenden Persönlichkeiten wie Gerold Krieschen und Albert Zwetsch, bis hin zum Wandel und heutigen Status des Vereins. Alle Angaben stützen sich auf belegbare Quellen; spekulative Ausschmückungen werden vermieden.

Gründung in der Nachkriegszeit

Die Wurzeln des ASV Rot-Weiß Birkenfeld liegen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren. Unter französischer Besatzung war es zunächst schwierig, eigenständige Sportvereine für Ringen oder Gewichtheben zu gründen – oft durfte pro Ort nur ein einziger Sportverein existieren, und bestimmte „Kampfsportarten“ waren vorübergehend untersagt. In Birkenfeld führte dies dazu, dass Schwerathleten (Ringer und Gewichtheber) zunächst in bestehenden Vereinen mitturnten oder auf eine eigene Gründung warten mussten. Sobald die Bestimmungen gelockert wurden (Ende der 1940er Jahre), formierte sich jedoch eine eigenständige Athletik-Abteilung, aus der schließlich der Athletik-Sportverein „Rot-Weiß“ Birkenfeld hervorging. Die Vereinsfarben Rot und Weiß wurden gewählt, angelehnt an lokale Traditionen und Wappenfarben. Offizielle Dokumente aus jener Zeit sind spärlich, doch spätestens Anfang der 1950er Jahre tritt der ASV Rot-Weiß als eigenständiger Verein in Erscheinung. So war der Verein in der Saison 1961/62 bereits fest etabliert und nahm als ASV Birkenfeld am Ligabetrieb im Ringen teil. Die Aufbaujahre waren geprägt vom Enthusiasmus der Mitglieder, die oft mit bescheidenen Mitteln Matten und Gewichte organisierten. Viele der Gründungsmitglieder waren Rückkehrer aus Krieg und Gefangenschaft, die den Sport auch zur körperlichen Rehabilitation und Kameradschaftspflege nutzten. Durch harte Arbeit legten sie den Grundstein dafür, dass Birkenfeld in den kommenden Jahrzehnten zu einer kleinen Hochburg der Schwerathletik werden konnte.

Schwerpunkt: Ringen und Gewichtheben (mit Kraftdreikampf)

Als klassischer Athletik-Sportverein konzentrierte sich Rot-Weiß Birkenfeld von Beginn an auf Ringen (griechisch-römisch und Freistil) sowie Gewichtheben. Diese beiden Schwerathletik-Disziplinen bildeten das Rückgrat des Trainingsbetriebs und des sportlichen Selbstverständnisses. In den Anfangsjahren bedeutete dies: abendliches Training auf der Ringermatte und an der Hantel, häufig in provisorischen Räumlichkeiten. Bereits in den 1950er-Jahren nahmen Birkenfelder Athleten an regionalen Wettkämpfen teil. Im Gewichtheben machte der Verein ebenfalls früh auf sich aufmerksam – etwa durch Teilnahmen an Meisterschaften, bei denen das Kürzel ASV Birkenfeld in den Ergebnislisten auftaucht. Das Angebot erweiterte sich im Laufe der Zeit. In den 1970er und 1980er Jahren hielt der Kraftdreikampf (Powerlifting) Einzug, der die Disziplinen Kniebeuge, Bankdrücken und Kreuzheben umfasst. Dieser entwickelte sich aus dem Gewichtheben heraus zu einer eigenen Wettkampfform. Rot-Weiß Birkenfeld gehörte zu den Vereinen in Rheinland-Pfalz, die Kraftdreikampf früh förderten. Ein späterer Erfolg belegt dies exemplarisch: 2011 stellte der ASV mit Nikolay Episov einen Deutschen Meister im Kraftdreikampf (Bankdrücken bis 105 kg). Insgesamt prägte der Verein über Jahrzehnte die Schwerathletikszene im Kreis Birkenfeld. Ringen und Heben galten als Aushängeschild – viele junge Sportler lernten hier beide Sportarten kennen, bevor sie sich auf die eine oder andere spezialisierten.

Glanzzeit in den 1950er bis 1970er Jahren

Seine erfolgreichsten Zeiten erlebte der ASV Rot-Weiß Birkenfeld vom Wirtschaftswunder bis in die 1970er Jahre. In diesen Dekaden war der Verein sportlich äußerst präsent und errang zahlreiche Erfolge auf regionaler Ebene. Besonders im Ringen gehörte Birkenfeld zeitweise zur Spitze in Rheinland-Pfalz. Die Ringermannschaft stieg bis in die Oberliga Rheinland-Rheinhessen auf – seinerzeit eine der höchsten Ligen unterhalb der Bundesliga. So kämpfte der ASV Birkenfeld in der Saison 1961/62 in der Oberliga gegen namhafte Konkurrenz wie AC Idar, ASV Metternich, Hellas Mainz und AC Bingen-Rüdesheim. Dass ein Verein aus der kleinen Stadt Birkenfeld mit Teams aus größeren Städten auf Augenhöhe rang, spricht für die Qualität und den Trainingsfleiß jener Jahre. Auch in den Folgejahren blieb Birkenfelds Ringerteam kompetitiv. 1967 etwa nahm der ASV Rot-Weiß an einem internationalen Ringerturnier anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des AC Boden teil, gemeinsam mit Teams aus Frankreich und ganz Westdeutschland.

Parallel dazu erzielten die Gewichtheber des Vereins Achtungserfolge. Zwar stand Ringen im Rampenlicht, doch auch auf der Hebebühne sammelten Birkenfelder Athleten Titel bei Bezirks- und Landesmeisterschaften. In der lokalen Presse jener Jahre wurde regelmäßig über Kampf- und Hebe-Veranstaltungen in Birkenfeld berichtet, was auf reges Zuschauerinteresse schließen lässt. Fotos aus den 1960ern zeigen vollbesetzte Hallen bei Heimkämpfen – Ringsport war ein Publikums-Magnet. Der Verein organisierte Schauturnen und Freundschaftskämpfe, zu denen auch Athleten umliegender Vereine (z.B. Idar-Oberstein, Ruschberg oder Vereine aus dem Saarland) kamen. Diese Glanzzeit war auch personell untermauert: engagierte Trainer, eine funktionierende Jugendarbeit und Unterstützung seitens der Stadt sorgten für kontinuierlichen Nachwuchs. Der ASV Rot-Weiß Birkenfeld war in diesen Jahren ein wichtiger Teil der Stadtgemeinschaft – sportlich erfolgreich und gesellschaftlich anerkannt.

Gerold Krieschen – Erfolge im Gewichtheben (Senioren)

Eine herausragende Sportlerpersönlichkeit aus den Reihen des ASV Birkenfeld ist Gerold Krieschen (häufig auch Grieschen geschrieben). Der 1947 geborene Athlet begann seine Laufbahn im Gewichtheben vermutlich in den 1960er Jahren in Birkenfeld. Zwar konnte er sich als junger Mann nicht an die nationale Spitze heben, doch im fortgeschrittenen Alter blühte Krieschen sportlich regelrecht auf. Im Senioren- (Master-) Bereich des Gewichthebens feierte er außergewöhnliche Erfolge. Krieschen wurde mehrfacher Senioren-Europameister im Gewichtheben – ein Titel, der die kontinentale Spitzenstellung in seiner Alters- und Gewichtsklasse bedeutet. Darüber hinaus errang er bei Weltmeisterschaften der Masters mehrere Medaillen und hielt zeitweise Europarekorde in seiner Kategorie. Seine Spezialdisziplinen waren das Reißen und Stoßen (die beiden klassischen Übungen im olympischen Zweikampf), in denen er auch jenseits der 60 Jahre noch beeindruckende Lasten bewältigte. Gerold Krieschen ist damit ein lebender Beweis für die Nachhaltigkeit der Birkenfelder Athletikschule. Noch mit 69 Jahren plante er, seine Erlebnisse als Gewichtheber und Wüstenreisender in einem Buch festzuhalten. Sein sportlicher Lebensweg – vom Jugendlichen im kleinen ASV Birkenfeld zum international geehrten Masters-Champion – unterstreicht die Bedeutung des Vereins als Talentschmiede und Ausgangspunkt großer sportlicher Karrieren.

Albert Zwetsch – Sportlehrer und Ringertrainer in den 1960ern

Eine weitere prägende Figur in der Vereinsgeschichte ist Albert Zwetsch, der in den 1960er-Jahren als Sportlehrer und Ringertrainer in Birkenfeld wirkte. Zwetsch war vom Beruf her Sportpädagoge und brachte seine fachliche Kompetenz in den Aufbau des Ringer-Nachwuchses ein. In den lokalen Annalen wird er als engagierter Trainer erwähnt, der vielen Jugendlichen die Grundlagen des Ringens beibrachte. Daneben war er auch überregional aktiv: So fungierte Albert Zwetsch zeitweise als Jugendwart im Schwerathletikverband Rheinland. In dieser Funktion betreute er die Jugendarbeit im Ringen und Gewichtheben auf Verbandsebene – ein Hinweis auf sein Ansehen in Fachkreisen. Unter seiner Anleitung erzielten Birkenfelder Nachwuchsringer in den 60er-Jahren etliche Erfolge bei Jugendturnieren. Zeitzeugenberichten zufolge legte Zwetsch großen Wert auf Disziplin und Technikschulung, was den jungen Athleten zugutekam. Viele spätere Leistungsträger des ASV – einige davon Mitglieder der Oberliga-Mannschaft – gingen durch seine „Schule“. Als Sportlehrer an der Birkenfelder Schule organisierte er zudem Schulwettkämpfe und empfahl talentierte Schüler an den Verein. Albert Zwetsch verkörperte somit den idealen Bindeglied zwischen Schulsport und Vereinstraining in jener Epoche. Seine dokumentierte Rolle in den 1960ern als Motor der Birkenfelder Ringersparte ist ein wichtiger Bestandteil der Vereinschronik.

Wandel, Niedergang und heutiger Stand

Ab den 1980er Jahren zeichnete sich – wie in vielen traditionellen Kraftsportvereinen – ein Wandel ab. Der große Nachwuchszulauf früherer Jahrzehnte ließ nach; Trendsportarten und veränderte Freizeitgewohnheiten machten es schwieriger, junge Leute für Ringen oder Gewichtheben zu begeistern. Zudem wuchs in der Region Konkurrenz durch andere Vereine. Insbesondere der benachbarte AC Idar-Oberstein (ACO) dominierte ab den 1970ern den Ringsport im Kreis Birkenfeld und stellte zeitweise drei Mannschaften gleichzeitig. Der ASV Birkenfeld konnte mit dieser Entwicklung personell nicht mithalten. Die eigene Ringermannschaft rutschte in niedrigere Ligen ab und wurde schließlich ganz vom Wettkampfbetrieb abgemeldet (vermutlich um die 1980er-Jahre). Fortan beschränkten sich die Aktivitäten des Vereins auf den Kraftsport-Bereich (Gewichtheben, Kraftdreikampf) und gelegentliche Schauturnen. Zwar gelangen einzelnen Athleten – wie oben beschrieben – noch beachtliche Erfolge, doch als Mannschaft trat der ASV Rot-Weiß kaum mehr in Erscheinung.

In den letzten zwei Jahrzehnten verstärkte sich der Rückgang. Der Verein existiert aktuell (Stand Mitte der 2020er) formal zwar weiterhin, was auch im städtischen Vereinsregister bestätigt wird, doch gibt es kaum noch dokumentierte sportliche Aktivitäten. Auf der städtischen Website wird der ASV Rot-Weiß Birkenfeld unter der Rubrik „Kraftsport“ mit einem Vorsitzenden und Kontaktadresse aufgeführt, was belegt, dass der Verein nicht aufgelöst wurde. Allerdings fehlen Berichte über aktuelle Trainingsgruppen oder Wettkampfteilnahmen. Tatsächlich scheinen ambitionierte Ringer aus Birkenfeld heute in anderen Vereinen aktiv zu sein: So starteten talentierte Nachwuchssportler des Turnvereins Birkenfeld in den 2010er Jahren mangels eigenem Team für den saarländischen ASV Hüttigweiler in der Ringer-Bundesliga. Ähnlich verhält es sich im Gewichtheben und Kraftdreikampf – hier gibt es in Birkenfeld keine öffentlichen Veranstaltungen mehr, und verbliebene Aktive schließen sich benachbarten Clubs oder Startgemeinschaften an. Der langjährige erste Vorsitzende Michael Weyand, selbst ehemals erfolgreicher Kraftdreikämpfer, engagiert sich inzwischen vor allem auf Verbandsebene als Sportreferent für Kraftdreikampf im Schwerathletikverband Rheinland. Damit bleibt die Expertise des ASV Birkenfeld der Sportwelt zwar erhalten, der lokale Verein jedoch tritt kaum noch in Erscheinung.

Bedeutung für Sport und Stadtgeschichte

Trotz des heutigen Schattendaseins darf die historische Bedeutung des ASV Rot-Weiß Birkenfeld für die Stadt nicht unterschätzt werden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte der Verein der Kleinstadt überregionale Anerkennung in den Schwerathletiksportarten. Birkenfelder Athleten maßen sich mit Sportlern aus Mainz, Koblenz oder sogar Frankreich – und trugen den Namen ihrer Stadt weit über die Grenzen des Kreises hinaus. Der Verein förderte Generationen von Jugendlichen und trug damit auch zur sozialen Integration bei: Im Training fanden Arbeiterjugendliche, Schüler, Handwerker und Akademiker zusammen, verbunden durch den Sportsgeist. Veranstaltungen des ASV – ob Liga-Kämpfe oder Schauturnen – waren fester Bestandteil des städtischen Veranstaltungskalenders und zogen Besucher aus dem Umland an. Dadurch leistete Rot-Weiß Birkenfeld auch einen Beitrag zum kulturellen Leben der Gemeinde. In der Stadtgeschichte Birkenfelds, die reich an sportlichen Traditionen (z.B. Turnverein seit 1848, Fußball etc.) ist, nimmt der Athletik-Sportverein einen besonderen Platz ein: als Symbol für den Neubeginn nach 1945 und für die Erfolge, die mit ehrenamtlichem Engagement und Gemeinschaftsgeist möglich sind. Die Geschichten von Sportgrößen wie Gerold Krieschen, der von Birkenfeld aus zum Europameister avancierte, oder von Trainern wie Albert Zwetsch, der als „Mann der ersten Stunde“ den Nachwuchs formte, sind eng mit der Stadt verknüpft. Auch wenn heute die Matten und Hanteln in Birkenfeld weitgehend ruhen, lebt das Erbe des ASV Rot-Weiß in diesen Erinnerungen und Erfolgen fort. Es bleibt zu hoffen, dass dieses reiche Erbe nicht in Vergessenheit gerät – denn es ist ein stolzes Kapitel der Sport- und Stadtgeschichte Birkenfelds.

Wolfgang Herfurth – Mai 2025

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