Porträt: Dr. Bernhard Alscher – Tierarzt und Bürgermeister aus Leidenschaft

In einem urigen Landgasthaus in Schwollen hebt Dr. Bernhard Alscher an einem Spätsommerabend 2024 sein Glas – ein Single-Malt-Whisky – umringt von rund 100 Kollegen, Weggefährten und Familienmitgliedern. Es ist sein Abschiedsfest als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Birkenfeld, und der Rahmen könnte passender nicht sein: zwanglos, herzlich, mit viel Zeit für persönliche Gespräche. Fast 16 Jahre lang stand der 67-jährige Tierarzt an der Spitze der Verwaltung, stets „mit offenem Visier und Volldampf voraus“, wie Bewunderer seinen kämpferischen Führungsstil beschrieben. Nun bricht Alscher zu einem neuen Kapitel im Mainzer Landtag auf – der Beginn einer dritten Karriere nach Veterinärmedizin und Kommunalpolitik. Dieses Porträt zeichnet den Weg eines Mannes nach, der sein „Hobby zum Beruf gemacht“ hat und dessen Werdegang vom Landtierarzt zum einflussreichen Regionalpolitiker eine gleichermaßen ungewöhnliche wie inspirierende Erfolgsgeschichte erzählt.
Frühe Jahre und Tierarztkarriere
Dr. Bernhard Alscher wird 1957 im rheinland-pfälzischen Wissen geboren. Die Politik liegt ihm gewissermaßen im Blut – sein Vater zählte zu den führenden Köpfen der CDU im Rhein-Sieg-Kreis, und schon der junge Bernhard eiferte ihm nach, wenn auch rebellisch. In der Schule übernimmt er Verantwortung als Klassen- und Schulsprecher; sogar bei der Bundeswehr und an der Universität setzt er sich engagiert für die Belange anderer ein Dennoch schlägt Alscher zunächst einen anderen Weg ein: Er studiert Veterinärmedizin, erhält 1985 seine Approbation als Tierarzt und promoviert 1989 zum Dr. med. vet.. Schon 1985, kaum ins Berufsleben gestartet, eröffnet er eine Tierarztpraxis in dem Hunsrück-Dorf Oberhambach und baut sie erfolgreich auf. Über zwei Jahrzehnte hinweg versorgt der beliebte Landtierarzt Haustiere und Nutzvieh der Region und gewinnt das Vertrauen unzähliger Familien – eine berufliche Erfüllung, von der er später sagen wird: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“. Seit 1990 wirkt Alscher zudem als amtlicher Tierarzt des Landkreises Birkenfeld, eine Funktion, bei der er beispielsweise Fleischhygieneüberwachungen übernimmt. Privat ist er fest in der Region verwurzelt: Alscher ist verheiratet, Vater von vier Kindern und lebt mit seiner Familie in Oberhambach, wo ihn viele nur als den stets ansprechbaren „Doktor“ kennen.
Vom Tierarzt zum Rathauschef
Warum gibt ein Veterinär seine gut gehende Praxis auf, um sich in der Politik immer wieder an harten Fronten zu beweisen? Alscher selbst beantwortet diese Frage augenzwinkernd: „Ich habe einen genetischen Defekt“. Es sei ihm quasi in die Wiege gelegt, dass er sich einmischen und gegen Fehlentwicklungen und Ungerechtigkeiten kämpfen müsse – „ich kann gar nicht anders“. Anfang 2008 folgt er diesem inneren Ruf: Als Newcomer ohne Parteibuch der etablierten großen Parteien kandidiert er für das Amt des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde (VG) Birkenfeld. Unterstützt wird er von der Birkenfelder Freien Liste (BFL), einer freien Wählergruppe – eine klare Kampfansage an die Platzhirsche von CDU und SPD in der Region. Kaum jemand rechnet dem politisch unerfahrenen Tierarzt große Chancen aus. Doch Alscher überrascht alle: In der Stichwahl am 30. März 2008 schlägt der „krasse Außenseiter“ den amtierenden VG-Chef Manfred Dreier (SPD) mit 53,5 % der Stimmen. Bei schwacher Wahlbeteiligung von 45 % setzt sich der Veterinär aus Oberhambach gegen den parteigebundenen Amtsinhaber durch – ein Ergebnis, das wenige Wochen zuvor niemand für möglich gehalten hatte. Mit dieser Sensation beginnt Alschers Wechsel vom Behandlungszimmer ins Bürgermeisterbüro. Im Oktober 2008 wird er feierlich ins Amt eingeführt, fortan trägt er die Verantwortung für die Stadt Birkenfeld und 30 Ortsgemeinden der VG. Der Seitenwechsel vom Bürger zum Verwaltungschef gelingt dem Quereinsteiger erstaunlich rasch: Seine Bodenständigkeit und Bekanntheit als “der Tierarzt, dem wir vertrauen” verschaffen ihm Rückhalt weit über parteipolitische Lager hinweg. Alscher selbst hat nie einem starren Parteikurs folgen wollen – er schließt sich den Freien Wählern an, bleibt aber vor allem der Stimme der Bürger verpflichtet. „Es geht mir um Sachpolitik, nicht um Ideologie“, betont er sinngemäß immer wieder. Dieser Pragmatismus prägt von Anfang an seinen Führungsstil im Birkenfelder Rathaus.
Projekte und Herausforderungen als Bürgermeister
Die Amtszeit von Bernhard Alscher erstreckt sich über 16 Jahre – eine Epoche des Wandels, in der er zahlreiche Projekte anstößt und so manche Herausforderung meistern muss. Kommunale Energiewende: Früh schon engagiert sich Alscher für erneuerbare Energien. Unter seiner Ägide gründet die VG Birkenfeld 2011 die Stiftung „Sonne für Birkenfeld“, um Photovoltaik- und Windkraftanlagen in Bürgerhand zu realisieren. Das Modell ist innovativ: Die Gemeinde verpachtet ihre Dächer und Flächen nicht einfach an Investoren, sondern partizipiert über eine Stiftung, damit 100 % der Gewinne dem Gemeinwohl zugutekommen. „Bürgermeister Dr. Bernhard Alscher war von Anfang an von der Stiftungsidee begeistert“, heißt es rückblickend. Tatsächlich unterstützt Alscher mit Leidenschaft Projekte wie den Solarpark in Gimbweiler (1,3 MW), der 2012 ans Netz geht, und ermutigt die Umsetzung von Windrädern nach dem gleichen Prinzip. Gleichzeitig merkt der Bürgermeister aber auch, wie sensibel solche Vorhaben vor Ort diskutiert werden. Kontroverse um Windkraft: Der Ausbau der Windenergie führt zeitweise zu Spannungen innerhalb der Verbandsgemeinde. „Es gab zwar das Thema Windkraft, das uns zeitweise auseinanderdividiert hat“, räumt Alscher 2016 ein. In einigen Ortsgemeinden regt sich Widerstand gegen neue Anlagen in Sichtweite der Dörfer. Alscher sucht den Ausgleich zwischen Klimaschutz und Bürgerinteressen – und schafft es am Ende, den Rat wieder zu einen. „Bei allen Emotionen… haben wir letztendlich oftmals im Sinne der Ortsgemeinden und unserer Bürger einstimmige Beschlüsse gefasst“, betont er und dankt den Räten für die Zusammenarbeit. Diese Fähigkeit, unterschiedliche Positionen an einen Tisch zu bringen, wird zu einem Markenzeichen seiner Amtsführung.
Infrastruktur und Regionalentwicklung:
Unter Alschers Leitung macht die VG Birkenfeld auch bei klassischen kommunalpolitischen Aufgaben Fortschritte. Schulen und Feuerwehren werden modernisiert, interkommunale Gewerbegebiete entwickelt und das Tourismusprofil der Nationalparkregion Birkenfeld geschärft. Ein Herzensanliegen ist für Alscher dabei der 2015 eröffnete Nationalpark Hunsrück-Hochwald, der teils im Kreis Birkenfeld liegt. Er übernimmt den Vorsitz der Kommunalen Nationalparkversammlung – einem Gremium der Anrainerkommunen – und setzt sich dafür ein, dass die Landesregierung die versprochenen Investitionen in die Region einhält. Als sich der Bau des neuen Nationalpark-Zentrums jahrelang verzögert, zieht Alscher 2022 einen drastischen Schlussstrich: Er legt den Vorsitz aus Protest nieder und moniert öffentlich die „unzureichende Unterstützung der Landesregierung“. Sieben Jahre nach Parkgründung sei die Verwaltung noch immer in Provisorien untergebracht, kritisiert er – ein Zustand, den er so nicht länger mittragen wolle. Mit diesem Paukenschlag macht Alscher klar, dass er bereit ist, notfalls auch mal Konfrontation zu wagen, um seinem ländlichen Raum Gehör in Mainz zu verschaffen.
Engagement für den Tierpark: Ein weiteres Feld, auf dem sich Alscher abseits seiner Amtsgeschäfte einbringt, ist der Tierpark Birkenfeld. Der kleine Heimattierpark mit über 100-jähriger Geschichte liegt ihm als Tierarzt besonders am Herzen. Als der Park in finanzielle Schieflage gerät, übernimmt Alscher 2022 ehrenamtlich den Vorsitz des Fördervereins, um die Einrichtung zu retten. Fortan arbeitet er an Konzepten, den Tierpark zu modernisieren – etwa mit einem „Grünen Klassenzimmer“ als pädagogischem Außenlernort für Kinder. Doch gerade dieses Engagement führt am Ende seiner Bürgermeisterzeit zu Turbulenzen: In einer seiner letzten Amtshandlungen veranlasst Alscher im Juli 2024 die Überweisung von 127.000 € aus Mitteln der VG an den Tierpark, um das Projekt Grünes Klassenzimmer anzuschieben. Der Haken: Der VG-Rat hatte dazu keinen Beschluss gefasst. Alscher handelte auf eigene Faust – als Vorsitzender des Tierparkvereins stand er gewissermaßen auf beiden Seiten. Als dies bekannt wird, hagelt es Kritik: Ohne Zustimmung des Rats hätte der Bürgermeister keine Zahlung anweisen dürfen. Die Kreisverwaltung erstattet Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach leitet ein Ermittlungsverfahren ein. Alscher zeigt sich zerknirscht und lässt den Schatzmeister des Tierparks umgehend die 127.000 € zurücküberweisen, sodass der Kommune „keinerlei Schaden entstanden“ sei. Nichtsdestotrotz wirft dieser Vorgang Fragen nach Machtbefugnissen und Transparenz auf. Für Alscher, der bis dahin weitgehend ohne Skandale durch seine Amtszeit gekommen war, ist es ein unschöner Schlusspunkt im Rathaus. Gleichwohl betrachten viele Birkenfelder den Vorfall mit gemischten Gefühlen – sie kennen „ihren“ Bernhard Alscher als jemanden, der stets das Beste für die Region wollte, auch wenn er dabei vielleicht einmal über das Ziel hinausschoss.
Politische Haltung und öffentliches Wirken
Bernhard Alscher hat sich zeitlebens weniger über Parteilabels definiert als über konkrete Anliegen. Freie Wähler statt Parteidisziplin: Zwar ist er Mitglied der Freien Wähler und wurde über deren Liste ins Amt gewählt, doch gilt er als eigenwilliger Kopf, der sich keiner Parteiideologie unterordnet. In der Verbandsgemeinde hat er über Jahre hinweg bewiesen, dass konstruktive Kommunalpolitik nicht vom Parteibuch abhängt. Er suchte den Schulterschluss mit wechselnden Mehrheiten – mal stimmte die SPD im Rat seinen Vorschlägen zu, mal die CDU, häufig alle gemeinsam im Konsens. Dieses pragmatische Vorgehen brachte ihm Respekt ein, zumal er offen ausspricht, was er denkt. Bei öffentlichen Auftritten agiert Alscher gern frei heraus, mitunter auch pointiert-kritisch gegenüber höheren Ebenen. So prangerte er die Versäumnisse der Landesregierung beim Nationalpark unverblümt an oder meldete sich in der Windkraft-Debatte klar zu Wort, wenn er die Interessen der Dörfer gefährdet sah. Sein Motto scheint zu sein: nicht nur verwalten, sondern gestalten.
Dieses Credo trieb ihn auch über die Kommunalgrenzen hinaus. Ausflug in die große Politik: 2013 wagt Alscher den Schritt auf die bundespolitische Bühne und kandidiert als Direktkandidat der Freien Wähler für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Kreuznach. Er bleibt zwar ohne Mandat – die Hürden der großen Politik erweisen sich als hoch – doch die Erfahrung bestärkt ihn nur in seinem Willen, Dinge zu verändern. 2021 versucht er es erneut auf Landesebene: Alscher tritt im Wahlkreis Birkenfeld für den Mainzer Landtag an. Wieder gelingt der Sprung zunächst nicht, doch Fortuna meint es schließlich gut mit dem Hartnäckigen: Im Juli 2024 rückt er über die Landesliste in den Landtag Rheinland-Pfalz nach. Damit beginnt – mit 66 Jahren – ein völlig neues Kapitel seiner Laufbahn. Unabhängigkeit im Landtag: Kaum in Mainz angekommen, zeigt sich allerdings abermals Alschers unbeugsamer Charakter. Schon nach wenigen Monaten tritt er aus der Freie-Wähler-Fraktion aus, wegen inhaltlicher Differenzen mit der Parteispitze. Seitdem agiert er als fraktionsloser Abgeordneter im Landtag. Dieser Schritt sorgt landesweit für Aufsehen, doch in Birkenfeld wundert man sich nicht allzu sehr: „Bernhard bleibt sich treu“, murmeln manche – er lasse sich eben von niemandem vorschreiben, was er zu tun habe, erst recht nicht von fernen Parteifreunden. Sein öffentliches Wirken ist geprägt von dieser Gradlinigkeit. Sei es als Bürgermeister oder nun als Parlamentarier – Alscher gilt als „hartnäckiger Kämpfer“, der notfalls gegen den Strom schwimmt, wenn es seinen Überzeugungen entspricht.
Privatleben und persönliches Engagement
Abseits der politischen Bühne ist Bernhard Alscher ein heimatverbundener Familienmensch. Zusammen mit seiner Frau und den vier inzwischen erwachsenen Kindern genießt er die Ruhe seines Wohnorts Oberhambach, wann immer es die Zeit zulässt. Sein Lieblingsort, so verriet er einmal augenzwinkernd, sei die eigene Terrasse – dort schmökere er gern in einem guten Buch oder der Zeitung, zumindest für ein paar Minuten, bevor ihn der nächste Termin wieder fortruft. Als Tierarzt und Naturfreund schlägt Alschers Herz natürlich für die Tierwelt: Nicht nur im Tierpark Birkenfeld engagiert er sich ehrenamtlich, auch privat hält er den Kontakt zur regionalen Jägerschaft und Landwirten, die ihn aus früheren Praxistagen kennen. Zudem ist er Mitglied im Kreistag des Landkreises Birkenfeld seit 2009 und in verschiedenen Vereinen der Umgebung gern gesehen. Vieles, was er anpackt, tut er aus Liebe zur Region – sei es die Förderung der kulturellen Vereine oder die Unterstützung sozialer Initiativen vor Ort. Kollegen beschreiben ihn als bodenständig und zupackend: Wenn irgendwo Not am Mann ist, steht Dr. Alscher bereit, sei es als Schirmherr eines Dorffestes oder als Redner beim Tierzuchtverein.
Persönliche Eitelkeiten sind dem großgewachsenen Mann fremd. So verzichtete er bei seiner Verabschiedung bewusst auf großes Tamtam und Offizialakte. Statt Orden oder Ovationen war ihm ein gemütliches Beisammensein lieber – inklusive eines guten Whiskys in der Hand und dankbarer Worte an sein Team von der VG-Verwaltung, ohne das, wie er betonte, die Erfolge der letzten Jahre nicht möglich gewesen wären. Als man ihm zum Abschied ein Präsent überreichte – passenderweise einen edlen Single Malt –, nahm er es mit einem breiten Lächeln entgegen. In diesem Moment zeigte sich noch einmal der Mensch Bernhard Alscher: genießerisch, herzlich und humorvoll, zugleich aber schon mit den Gedanken beim nächsten Kapitel.
Fazit
Dr. Bernhard Alscher hat in seinem Werdegang viele Rollen ausgefüllt: Tierarzt, Verwaltungschef, Landespolitiker – vor allem aber Kümmerer für die Menschen seiner Heimat. Vom ersten Tag an im Bürgermeisteramt bis zu seinem Ausscheiden nach 16 Jahren hat er bewiesen, dass Leidenschaft und Beharrlichkeit in der Politik durchaus etwas bewegen können. Er modernisierte seine Verbandsgemeinde, setzte Akzente in Energie und Naturschutz und vertrat mit unbeirrbarem Einsatz die Interessen „seiner“ Region – notfalls gegen Widerstände von oben. Dabei blieb er immer authentisch: ein Freigeist in der Kommunalpolitik, der kein Blatt vor den Mund nimmt und auch mal aneckt, wenn es der guten Sache dient. Nun, da Alscher im Landtag eine neue Herausforderung angenommen hat, blicken viele Birkenfelder mit Stolz und ein wenig Wehmut auf ihren ehemaligen Bürgermeister. Denn eines ist sicher: Die Fußstapfen, die der Tierarzt im Rathaus hinterlassen hat, sind groß. Doch wo immer Bernhard Alscher künftig wirkt – ob in Mainz oder daheim im Hunsrück – wird er seiner Maxime treu bleiben, sich „stets einzumischen“ und mit offenem Visier für seine Überzeugungen einzustehen. Seine Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie viel eine engagierte Einzelperson im lokalen Umfeld bewirken kann, wenn Herzblut und Heimatliebe zusammenkommen. Und so ist dieses Porträt zugleich ein Ausblick: Die Region Birkenfeld darf gespannt sein, welche Kapitel Dr. Bernhard Alscher als nächstes schreiben wird.
Wolfgang Herfurth – Mai 2025