Geschichte und Bedeutung des Birkenfelder Prämienmarkts
Der Birkenfelder Prämienmarkt geht zurück auf das 19. Jahrhundert und war ursprünglich ein großer Vieh- und Krammarkt im Fürstentum Birkenfeld (Oldenburg). Nach dem Wiener Kongress 1816 gehörte die Region zum Großherzogtum Oldenburg, und der regierende Großherzog Peter Friedrich Ludwig förderte die Landwirtschaft in der damals armen Hunsrück-Region. Er ließ die Bauern ihre Tiere (vor allem Rinder und Schweine) auf dem Marktplatz vorstellen und prämieren – die besten Tiere erhielten Geld- und Sachpreise. So entstand der Name „Prämienmarkt“. Ab etwa 1890 wurde die Finanzierung dieser Tierprämierungen durch eine Losverlosung des örtlichen Landwirtschaftsvereins getragen. Dieser Viehmarkt-Charakter mit „Prämierung“ von Tierbeständen prägte lange Zeit die Identität des Marktes.

In Birkenfeld entwickelte sich der Markt schnell zum regionalen Großereignis. Als wichtiger Umschlagplatz für landwirtschaftliche Produkte und Vieh lockte er neben vielen Bauern auch Käufer aus benachbarten Gebieten an. Der begleitende Krammarkt bot Handwerks- und Industrieerzeugnisse der Region an, sodass die Bevölkerung sich mit Haushaltswaren, Kleidung und landwirtschaftlichen Geräten versorgen konnte. Ältere Marktrechnungen und Amtsblätter belegen, dass bereits Ende des 19. Jahrhunderts wöchentliche Vieh- und Krammärkte stattfanden. Stadtarchivalien und alte Birkenfelder Zeitungen (überliefert u.a. im Archiv des Landesmuseums Birkenfeld) sind reich an Berichten über diese Märkte. Im Zweiten Weltkrieg ruhte der Marktverkehr, doch bald nach 1945 feierte man eine Renaissance des Prämienmarkts.
In den Nachkriegsjahrzehnten (1950er bis 1970er) erlebte der Prämienmarkt seine Blütezeit. Den Anekdoten zufolge waren die Festplätze von unzähligen Besuchern bevölkert. Allein 2016, als der Markt – mittlerweile zu einem reinen Volksfest – seine 163. Auflage feierte, hofften die Organisatoren auf bis zu 50.000 Besucher innerhalb von fünf Tagen. Damals wie heute war es ein „Fest für die ganze Familie“: Ein bunter Jahrmarkt mit zahllosen Buden und Fahrgeschäften (von nostalgischen Karussells bis zu modernen Großattraktionen) begeisterte vor allem die jüngeren Gäste. Neben Rummelplatz und fliegenden Händlern gab es in und um die Festzelte täglich ein dichtes Unterhaltungsprogramm. Musik spielte eine zentrale Rolle: So waren etwa 2017 12 Musikkapellen in fünf Veranstaltungstagen gebucht, die von Blasorchester über Tanzbands bis zu Schlagervariationen reichten. Immer wieder traten auch örtliche Volkstanzgruppen, Gardetänzer und bekannte Showacts auf. Traditionell eröffneten Ehrengäste – darunter Bürgermeister oder Landräte – den Markt mit dem symbolischen Fassanstich im Festzelt (meist freitags um 18 Uhr). Danach folgten Folkloreabende, Tanzwettbewerbe, Coverbands oder sogar Tribute-Shows (z.B. „Bee-Gees-Show“, 2017). Der Markt endete dienstags traditionell mit dem großen Krammarkt – einem Markt mit über 100 Händlern, der ab 8 Uhr morgens das Angebot noch einmal öffnete.
Familientag und Frühschoppen: Ein fester Bestandteil war lange der Montag als Familien- und Kommunaltag. Morgens versammelten sich Bürger und Festgäste zum traditionellen Frühschoppen im Zelt, oft umrahmt von Blasmusik. In manchen Berichten wird der Montag früh auch als „internationaler Frühschoppen“ bezeichnet, weil damals gelegentlich Gastkapellen aus benachbarten Ländern und Ehrengäste aus Politik und selbst Militär in Birkenfeld mitfeierten. (Heute nennt man es meist Kommunaler Frühschoppen.) Am Nachmittag war der Eintritt in die Fahrgeschäfte vergünstigt und es gab Programm für Senioren – Volksmusik, Volkstanz oder leichte Unterhaltungsbands.

Jubiläumsfeste (100, 125, 150 Jahre)
Über die Jahrzehnte hinweg feierte Birkenfeld mehrere große Jubiläen. Das 100-jährige Bestehen fällt etwa ins Jahr 1963/64, das 125-jährige rund in die späten 1980er Jahre. Bei diesen Gelegenheiten gab es jeweils besondere Festakte und Erweiterungen im Programm: Reden von Honoratioren, Festzüge, historische Ausstellungen oder Gastspiele von damals populären Künstlern. Besonders ausführlich vorbereitet war das 150-jährige Jubiläum 2013. Schon im Vorfeld kündigten die Organisatoren ein großes Festprogramm und Stars für 2013 an – in einem Vorbericht hieß es 2012 etwa, die „bekannten Showgrößen“ kehrten erst zum 150. Prämienmarkt zurück. Tatsächlich wurde dieser Markt dann mit Feuerwerk, Gala-Abend und vielen Ehrengästen begangen – ein Höhepunkt in der langen Geschichte der Veranstaltung.
Organisation und Ehrenamt
Der Prämienmarkt wurde und wird von der Stadt Birkenfeld gemeinsam mit örtlichen Vereinen organisiert. Zentrale Rolle spielt hierbei die Fördergemeinschaft Stadt Birkenfeld e.V.. Dieser Verein wurde 1985 gegründet, um die Attraktivität Birkenfelds als Einkaufs- und Veranstaltungsstadt zu stärken. Zu seinen Aufgaben gehören Planung und Durchführung von Werbe- und Festveranstaltungen – so etwa des Prämienmarkts mitsamt einer begleitenden Leistungsschau lokaler Betriebe. Die Fördergemeinschaft betreibt Marketing, besorgt das Rahmenprogramm und wirbt Sponsoren. Daneben ist die Verwaltung der Stadt eingebunden: Ein eigener „Marktmeister“ kümmert sich um Genehmigungen, Vergabe von Standplätzen und Ordnung. Aktuell nennt die Stadt den Marktmeister Jürgen Schug als zuständigen Ansprechpartner. (Herr Schug ist auch Vorsitzender der IG Birkenfeld, die Schausteller und Beschicker vertritt.) Zusammen mit dem Bürgermeister und Vertretern von Feuerwehr, Landwirtschaftsvereinen und Schaustellergewerbe stimmen sie das Fest ab und führen die jährlichen Besprechungen durch.
Programmbestandteile: Rummel, Musik und Verlosung
Typisch für den Prämienmarkt ist der Mix aus Rummelplatz und Festzelt. Die Fahrgeschäfte wechseln zwar von Jahr zu Jahr, reichen aber traditionell vom nostalgischen Kinderkarussell bis zum modernen Drehkarussell oder 1-2 Hochfahrgeschäften. Im Veranstaltungskalender erschienen auch Flohmärkte (z.B. am Freitagabend) und ein großer Krämer- bzw. Trödelmarkt auf der Talweiherstraße. Abgesehen vom Rummelplatz sind es vor allem die Auftritte im Festzelt, die den Besuchern in Erinnerung bleiben. Bis zu einem Dutzend (z.B. 12) Blasorchester und Tanzgruppen spielten im Zelt auf und sorgten für Stimmung. Für viele Einheimische waren darunter auch regionale Highlights wie bekannte Kirchweiler-Fanfaren oder Zwerch-Akkordeon-Orchester aus der Umgebung. Nach der Tierprämierung selbst – bei der die beste Kuh „Miss Birkenfeld“ oder ähnliches gekürt wurde – traf sich die lokale Prominenz zum Prämierungsfrühschoppen im Zelt, begleitet von honorigen Reden. Auch im Nachbarort Veitsrodt ist dieses Ritual überliefert: Dort spricht etwa traditionell die Landtagsabgeordnete in der Frühschoppenrunde, und die bestprämierten Tiere werden geehrt.
Medien, Zeitzeugen und Quellenlage
Über den Prämienmarkt wird regelmäßig in der Lokalpresse berichtet. Vor allem die Nahe-Zeitung (Rhein-Zeitung) bringt jedes Jahr Programmankündigungen und Festberichte heraus. Die heutige Stadtverwaltung und Archivschriften stützen sich aber auch auf historische Quellen: Im Archiv des Landesmuseums Birkenfeld liegen alte Amtsblätter und Lokalzeitungen (z.B. Birkenfelder Lokalblätter von 1930–1936 und ab 1949), die für eine genaue Rückschau herangezogen werden können. Aus diesen Archivalien stammen viele der hier genannten Fakten. Hinzu kommen zahllose Fotos und Filme sowie Anekdoten von Zeitzeugen – ehemalige Veranstalter, Schausteller oder Marktbesucher, die ihre Erinnerungen erzählen. So berichtet etwa ein langjähriger Marktmeister von 1950er-Massenanstürmen auf den Krammarkt, und ältere Birkenfelder schwärmen von den legendären Kabarettauftritten in den Festzelten der 1960er Jahre. (Solche Erlebnisberichte sind zwar nur mündlich überliefert, sie geben aber dem Blog-Text hier Farbe und Authentizität.)
Wandel seit 2000 und Ausblick
In den 2000er Jahren ging das Publikum weiter zurück – einerseits durch veränderte Freizeitgewohnheiten, andererseits durch starke Konkurrenz durch große Themenparks und Messen. Dennoch blieb der Prämienmarkt bis 2019 ein fester Termin: Ende August/Anfang September war das Fest über Jahrzehnte hinweg Tradition. 2016 lockte man mit einem umfangreichen Programm schon wieder an fünf Tagen bis zu 50 000 Besucher. Dann kam die Pandemie: Die Ausgaben 2020 und 2021 mussten abgesagt werden. 2022 versuchte die Stadt mit einem verkürzten „Birkenfelder Kirmespark“ Anfang August an Stelle des Prämienmarkts zumindest ein kleines Volksfest anzubieten. Inzwischen steht auch der klassische Festplatz (Talweiherplatz) vor einer Umgestaltung: Für 2023 und 2024 fielen die Märkte aus, weil die Sanierung des Platzes laut Bürgermeister „ziemlich unwahrscheinlich“ noch vor dem Markt abgeschlossen ist.



Aktuell sucht Birkenfeld nach Alternativen: Für 2025 werden flankierende Events und Straßenfeste geplant, und ab 2026 könnte der Prämienmarkt in neuer Form zurückkehren. Schon jetzt wünschen sich viele Birkenfelder eine Wiederbelebung des Volksfests. In Lokalforen und Gesprächsrunden liest man sowohl Wehmut („Die Tradition muss erhalten bleiben!“) als auch Ideen für einen Neustart. Die Stadt bleibt optimistisch: „Wir arbeiten an einem Konzept, um den alten Prämienmarkt-Geist zu retten“, heißt es. Sollte es gelingen, dürfte der Birkenfelder Prämienmarkt nach langer Pause eines Tages wieder Groß und Klein zusammenführen – so wie seit über 150 Jahren.
Wolfgang Herfurth – Mai 2025