Rimsberg: Ein Dorf, das bleibt – egal, wie der Wind weht

Es war einer dieser Winterabende, die sich ins Gedächtnis einbrennen. Damals, in Baumholder, wo seit Jahrzehnten viele US-Amerikaner leben – und lebten. Freundschaften über Grenzen hinweg, Begegnungen im Alltag, in der Freizeit, im Leben. Ein Besuch bei Freunden, wie so oft. Lachen, Reden, vielleicht ein gemeinsames Essen. Doch an diesem Abend zog plötzlich ein Schneesturm auf. Kein sanftes Rieseln, sondern ein stürmisches Kommando zum Aufbruch. Der Heimweg nach Birkenfeld lag noch vor einem – und der Respekt vor dem Wetter wuchs mit jeder Minute. Also los.
Runter aus Baumholder, durch Nohen. Und dort – überraschend ruhig. Schnee fiel zwar, aber nichts blieb liegen. Die Straßen frei, das Tal mild, fast trügerisch. Doch dann, kaum ein Kilometer weiter, der Anstieg Richtung Rimsberg. Und plötzlich war da wieder der Winter. Kein Zwischenzustand, kein Übergang – sondern tiefster Schnee, mitten in der Nacht, in einem Ort, der wie verzaubert dalag.
Rimsberg. Ein Dorf, das sich nicht aufdrängt. Aber eines, das bleibt. Das sich in genau solchen Momenten ins Herz schleicht. Und dort bleibt.
Ein Name mit vielen Gesichtern – und eine Geschichte, die tiefer geht
Rimsberg ist keine Erfindung der Moderne. Erstmals tauchte der Ort 1269 in Urkunden auf – damals noch als Rummersberg. Die Schreibweise änderte sich oft: Rymsberg, Reinsberg, Rimsbach. Aber was blieb, war der Ort selbst. Eine Ansammlung von Häusern, Höfen, Menschen. Verwurzelt im Hunsrück, über dem Nahetal, mit Blick auf waldige Höhen und tiefe Täler.
Im 18. Jahrhundert war Rimsberg mehr als nur eine Siedlung: Hauptort der „Pflege Rimsberg“ – einer Verwaltungseinheit der Hinteren Grafschaft Sponheim. Von hier aus wurde geregelt, verwaltet, organisiert. Die Nachbarorte Nohen und Reichenbach gehörten dazu. Und doch war Rimsberg nie groß. Eher still, zurückhaltend, auf seine Weise stolz.
Im Dreißigjährigen Krieg schrumpfte die Bevölkerung auf eine einzige Familie. Eine. Und trotzdem: Der Ort kam zurück. Wuchs langsam wieder. 1772 waren es 15 Familien, um 1790 etwa 78 Einwohner.
Das Leben hier war nie einfach. Aber immer echt.
Franzosen, Fürsten, Preußen – Rimsberg mittendrin
Mit den Truppen Napoleons kam Rimsberg unter französische Kontrolle. Zwischen 1798 und 1814 gehörte das Dorf zum französischen Saardépartement, hieß nun offiziell Rimsbach. Damals trieb in den umliegenden Wäldern ein Mann sein Unwesen, der heute Legende ist: Johannes Bückler – der „Schinderhannes“. Er überfiel Handelsfuhrwerke, versteckte sich im Dickicht, auch rund um Rimsberg.
Nach der Niederlage Frankreichs kam Rimsberg 1817 zum Fürstentum Birkenfeld, einem Exklavengebiet des Großherzogtums Oldenburg. Noch bis 1937 war das Birkenfelder Land ein eigener Landesteil. Erst dann wurde es preußisch. Heute ist Rimsberg ein Teil von Rheinland-Pfalz – und gehört zur Verbandsgemeinde Birkenfeld.
Aufbruch und Abschied – Rimsberger in alle Welt
Zwischen 1750 und 1865 kam Bewegung ins Dorf. Viele Rimsberger wanderten aus. Zwei Brüder Nagel suchten 1835 ihr Glück in Brasilien – eine mutige Entscheidung in einer Zeit, in der man seine Heimat meist nie wiedersah. Eine Witwe Roth zog 1865 mit fünf Kindern in die USA. Andere Familien gingen nach Ungarn, Rumänien, Algerien. Gründe gab es viele: Armut, Hoffnung, Neuanfang.
In Rimsberg selbst blieb der Wandel spürbar. 1835 wurde eine eigene Schule gebaut, später ein Friedhof angelegt. Zuvor mussten die Toten nach Nohen gebracht werden.
Und dann: 1896 – ein Sommer, der alles veränderte. Ein Hagelunwetter zerstörte die gesamte Ernte, deckte Dächer ab, ließ Träume zerbrechen. In einer Scheune stehen heute noch eingeklemmte Sparrenbalken – ein stummes Mahnmal aus Holz. Später kamen Dürresommer – 1911, 1921 – ohne Futter, ohne Hoffnung. Doch das Dorf hielt durch. Wie immer.
Zwei Kriege – und leere Plätze
Der Erste Weltkrieg brachte den Tod nach Rimsberg. Jungen Männer starben in Frankreich, Russland. Namen, die heute auf einer Gedenktafel am Gemeindehaus stehen. Auch der Zweite Weltkrieg forderte Opfer. Gefallene, Vermisste. Das Dorf trauerte – und lebte weiter.
Von Ackerpferden zu Traktoren – der Wandel der Arbeit
Noch bis in die 1950er Jahre wurde in Rimsberg wie vor Jahrhunderten gearbeitet: mit Ochsen, Kühen, Pferden. Erst dann kamen Traktoren, Mähdrescher, Maschinen. Aus Vollerwerbsbauern wurden Nebenerwerbler. Um 2000 zählte man nur noch vier aktive landwirtschaftliche Betriebe. Viele Felder wurden verpachtet oder verkauft – oft an auswärtige Landwirte.
1931 kam die zentrale Wasserversorgung. Die Gräben wurden mit Muskelkraft gegraben, der Feldschmied aus Birkenfeld sorgte täglich für scharfe Werkzeuge. Ein Kraftakt – aber ein Fortschritt.
Feuerwehr, Kirmes, Gemeinschaft – das Leben in Rimsberg
In den 1960ern gründete sich die Freiwillige Feuerwehr Rimsberg. Anfangs mit tragbarer Pumpe, heute mit Einsatzfahrzeug, Wettbewerben, Jugendarbeit. Und mit einem festen Platz im Dorfleben – besonders bei der Rimsberger Kirmes, dem jährlichen Höhepunkt.
Organisiert von der Kirmesgemeinschaft, unterstützt von allen: Ein Wochenende Heimatgefühl pur. Mit Musik, Bier, Würstchen – und Begegnungen. Auch andere Feste gehören dazu: Weihnachtsfeiern, Frühjahrsputz bei „Saubere Landschaft“, gemeinsame Pflanzaktionen. Jeder hilft. Jeder kennt jeden.
Kein Verein? Kein Problem!
Neben Feuerwehr und Kirmesgemeinschaft braucht es in Rimsberg keine Vereinsregister. Wer Sport treiben will, fährt nach Rinzenberg oder Birkenfeld. Dort gibt es die SG Hochwald. Die Jagdgemeinschaft funktioniert ohne Titel – aber mit Verantwortung. Ehrenamt ist in Rimsberg kein Fremdwort, sondern Alltag.
Abgelegen? Nein. Gut angebunden.
Rimsberg liegt ruhig – aber nicht abgeschieden. Die B41 ist nah, die A62 über Birkenfeld oder Hoppstädten-Weiersbach schnell erreichbar. Nohen bietet Bahnanschluss – stündlich nach Saarbrücken oder Bingen. Buslinie 823 fährt werktags nach Birkenfeld und Baumholder.
Einkaufen? In Birkenfeld – fünf Autominuten entfernt. Ärzte, Apotheke, Krankenhaus? Ebenfalls dort. Kita, Schule, Gymnasium – alles da, alles erreichbar.
Ein Dorf in Zahlen – aber mit Herz
Aktuell leben rund 130 Menschen in Rimsberg. Die Bevölkerung ist älter geworden – etwa ein Drittel ist über 60. Doch es gibt auch junge Familien, Kinder, Leben. 20 % der Einwohner sind unter 20.
Konfessionell ist Rimsberg überwiegend evangelisch geprägt (60 %), rund 20 % katholisch. Der Rest ist konfessionslos oder gehört anderen Glaubensgemeinschaften an. Eine eigene Kirche gibt es nicht – aber die Verbindung zu den Gemeinden in Birkenfeld steht.
Fazit: Rimsberg – ein Ort, den man nicht vergisst
Rimsberg hat keine Skyline, keinen Supermarkt, kein Kino. Aber Rimsberg hat Seele. Es ist mehr als ein Dorf – es ist ein Gefühl. Für alle, die hier wohnen. Und für jene, die es nur durchqueren – und doch nicht vergessen können.
Denn manchmal braucht es nur ein Ortsschild, ein Schneefall, ein Licht im Fenster – und man weiß: Man ist fast daheim.
Wolfgang Herfurth – Dezember 2025